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Baurecht: Keine Pflicht zur Abwehr von außergewöhnlichen Witterungseinflüssen

Gerade in der Herbst- und Wintersaison wird der vorgesehene Ablauf einer Baustelle häufig durch unvorhersehbare Wetterereignisse gestört. Der Bundesgerichtshof hat dazu mit Urteil vom 20.04.2017 (Az.: VII ZR 194/13) entschieden, dass ein Bauherr grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die Folgen außergewöhnlicher Witterungsbedingungen für eine Baustelle abzuwehren. Eine entsprechende Verpflichtung ergebe sich weder aus seiner Mitwirkungspflicht noch aus der allgemeinen Risikozuweisung bei Bauverträgen.

Der Fall

Die Auftraggeberin und spätere Beklagte beauftragte im Jahr 2009 die Auftragnehmerin, die spätere Klägerin, mit der Errichtung einer Autobahnbrücke einschließlich der Rampen. Die Parteien bezogen dabei unter anderem die Besonderen Vertragsbedingungen der Bauherrin und die VOB/B (2006) in den Vertrag ein. Die Bauarbeiten sollten Mitte Mai 2010 abgeschlossen sein.

Allerdings gab es im Januar und Februar 2010 eine außergewöhnlich lange Periode mit Frost, Eis und Schnee, die deutlich über den Durchschnittswerten der letzten 30 Jahre lag. Die Auftragnehmerin zeigte deshalb Anfang Januar Behinderungen an und stellte die Arbeiten witterungsbedingt ein. Die Auftraggeberin verlängerte daraufhin die Ausführungsfrist um den Zeitraum des witterungsbedingten Stillstands zuzüglich der Anlaufphase für die Wiederaufnahme der Arbeiten. Nach der Wiederaufnahme der Arbeiten legte die Auftragnehmerin ein Nachtragsangebot vor, mit dem sie Kosten für die witterungsbedingte Verzögerung in Höhe von 95.438,67 Euro brutto geltend machte. Die Auftraggeberin lehnte das Angebot ab. Sowohl das hiergegen angerufene LG Cottbus als auch das OLG Brandenburg stützten die Haltung der Auftraggeberin.

Die Entscheidung

Der BGH hielt die Entscheidungen aufrecht. Er verwies zunächst darauf, dass die Parteien für den Fall der Verlängerung der Ausführungsfristen wegen außergewöhnlich ungünstiger Witterungseinflüsse vereinbart hatten, der Vergütungsanspruch solle nicht angepasst werden. Aber auch ein Anspruch auf angemessene Entschädigung wegen hindernder Umstände aus § 6 Nr. 6 Satz 2 VOB/B i.V.m. § 642 BGB komme nicht zum Tragen. Denn es sei vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen keine dem Bauherrn obliegende erforderliche Mitwirkungshandlung nach § 642 BGB, während der Dauer des Herstellungsprozesses außergewöhnlich ungünstige Witterungseinflüsse auf das Baugrundstück in Form von Frost, Eis und Schnee, mit denen nicht gerechnet werden musste, abzuwehren.

Ein Bauherr müsse dem Unternehmer ein Baugrundstück regelmäßig so zur Verfügung stellen, dass dieser die von ihm geschuldeten Leistungen erbringen kann. Das bedeute z.B., das notwendige Vorarbeiten rechtzeitig erledigt sein müssen. Umstände indes, die von keiner Partei beeinflusst werden können – wie Frost, Eis und Schnee – würden von dieser Mitwirkungspflicht nicht erfasst. Dies sei entweder tatsächlich unmöglich oder könne nur unter Aufbringung wirtschaftlich unvernünftiger Mittel gelingen. Nichts anderes ergebe sich aus der allgemeinen Risikozuweisung bei Bauvorhaben; außergewöhnliche Witterungsereignisse gingen nicht zulasten des Bauherrn.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BGH wirkt auf den ersten Blick fast wie eine Selbstverständlichkeit: den Auftraggeber trifft keine Obliegenheit, dem Auftragnehmer für die Bauausführung auskömmliches Wetter zur Verfügung zu stellen. Entsprechend ist er jedenfalls bei außergewöhnlichen Witterungsbedingungen nicht verpflichtet, die Baustelle so vorzuhalten, dass der Auftragnehmer seine Leistung weiter erbringen kann.

Der BGH nutzt den Streitfall, um schärfer abzugrenzen, welche Verzögerungen zulasten des Auftraggebers gehen – nämlich solche, auf die er Einfluss hat, wie z.B. die Planung des Bauablaufs – und bei welchen er nicht verpflichtet ist, tätig zu werden. Er erteilt auch der in der Rechtsprechung gelegentlich vertretenen Auslegung seiner „Schürmann-Bau-Entscheidung“ eine Absage, der zufolge außergewöhnliche Witterungsbedingungen, mit denen nicht gerechnet werden konnte, zulasten des Bauherrn gingen. Auch diese Entscheidung soll nur so zu verstehen sein, dass der Bauherr lediglich für unzureichende Schutzmaßnahmen gegen vorhersehbare Witterungsereignisse haftet.

Für Bauherren schafft der BGH damit ein Stück Sicherheit. Sie brauchen bei derartigen Witterungsbedingungen keine Sorge zu haben, aufgrund ihrer Mitwirkungsverpflichtung gehalten zu sein, kaufmännisch sinnlose Aufwendungen zur Aufrechterhaltung des Baubetriebs vorzunehmen.

Für Auftragnehmer kann die Entscheidung allerdings bedeutende wirtschaftliche Folgen haben. Sie werden beim Verhandeln des Vertrages künftig darauf achten müssen, dass der Vertrag eine Regelung zur Vergütung witterungsbedingter Bauzeitverzögerungen enthält. Bei Aufträgen der öffentlichen Hand, die im Wege eines Vergabeverfahrens erteilt werden, besteht jedoch häufig kein Verhandlungsspielraum. Wie im entschiedenen Streit werden in diesen Fällen Vergütungsanpassungsansprüche oft ausgeschlossen. Dann bleibt jedoch nur, das Risiko von Verzögerungen wegen außergewöhnlicher Witterungsbedingungen entweder einzugehen oder aber in der Preiskalkulation zu berücksichtigen. 

Weiter offen bleibt dabei das nicht seltene Konfliktfeld, in dem auftraggeber- und auftragnehmerseitig verursachte Verzögerungen aufeinandertreffen. Künftig wird dabei noch zusätzlich abzugrenzen sein, ob eine Verzögerung tatsächlich vom Auftraggeber verursacht wurde oder ob sie auf einem von ihm nicht beherrschbaren Ereignis beruht. Hier wird es auch wie bisher auf den Einzelfall ankommen.

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