Stephanie Krüger, Arbeitsrecht

Aufstockungsverlangen eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers und Schadensersatz

Das Bundesarbeitsgericht (BAG – 18.07.2017 - 9 AZR 259/16) hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer seinen Aufstockungsanspruch nach § 9 TzBfG nicht mehr durchsetzen kann, wenn der Arbeitgeber die freie Stelle bereits besetzt hat. Eine entsprechende Vertragsänderung kann auch nicht auf den Schadensersatzanspruch aus AGG gestützt werden. Es verbleibt ein Anspruch auf Schadensersatz in Geld.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt die Erhöhung ihrer arbeitsvertraglichen Regelarbeitszeit. Auf das Arbeitsverhältnis finden die AVR Anwendung, die u.a. folgende Regelung enthalten:

„§ 1a Teilzeitbeschäftigung

(1) … Ist mit einem früher vollbeschäftigten Mitarbeiter auf seinen Wunsch eine nicht befristete Teilzeitbeschäftigung vereinbart worden, soll der Mitarbeiter bei späterer Besetzung eines Vollzeitarbeitsplatzes bei gleicher Eignung im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten bevorzugt berücksichtigt werden. …“   

Seit 1989 war die Klägerin bei der Beklagten als Krankenschwester beschäftigt. Die Klägerin war ab für verschiedene Zeiträume in unterschiedlichem Beschäftigungsumfang tätig. Seit Oktober 2011 war sie im Umfang von 50 % der Regelarbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt. Am 09.02.2015 äußerte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter Hinweis auf § 9 TzBfG ihr Interesse an einer Vollzeitstelle. Zum 01.04.2015 stellte die Beklagte fünf examinierte Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger in Vollzeit ein, ohne die Klägerin vorab über die freien Stellen informiert zu haben. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe gem. § 9 TzBfG Anspruch auf eine Vollzeitstelle. Sie hat zuletzt die Aufstockung ihrer Arbeitszeit für den Zeitraum vom 01.03.2015 bis zum 30.09.2016 auf 38,5 Wochenstunden, hilfsweise auf 29,25 Wochenstunden, begehrt. Dabei beruft sie sich neben dem TzBfG darauf, dass einer Erhöhung der wöchentlichen Regelarbeitszeit auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zuzustimmen sei. Dies folge nicht zuletzt aus § 15 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 AGG, da die Beklagte sie wegen ihres Alters und ihrer Behinderung diskriminiert habe. Das ArbG hatte der Klage stattgegeben, während das LAG das Urteil abänderte und die Klage abwies.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat die Klage als zulässig, aber unbegründet angesehen.

Nach § 9 TzBfG hat ein Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. Das BAG kam zum Ergebnis, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, das Angebot der Klägerin auf Erhöhung der Arbeitszeit anzunehmen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 TzBfG nicht vorlägen. Der Beklagten sei die Erfüllung eines etwaigen Anspruchs der Klägerin aus § 9 TzBfG aufgrund der Besetzung der freien Stellen unmöglich geworden mit der Folge, dass der Anspruch nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. Dementsprechend seien auch die Voraussetzungen eines in den vertraglich einbezogenen AVR geregelten Anspruchs auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung eines Vollzeitarbeitsplatzes nicht gegeben. Diese Bestimmung sei in Anlehnung an § 9 TzBfG auszulegen und setze mithin ebenfalls einen freien Arbeitsplatz voraus.

Die Klägerin könne auch nicht Schadensersatz in Form einer Zustimmung zu der angetragenen Vertragsänderung verlangen. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstelle, die Beklagte habe ihr die begehrte Aufstockung des Stundenvolumens aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe verwehrt und sei ihr gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, stehe § 15 Abs. 6 AGG dem Anspruch auf Aufstockung der Arbeitszeit entgegen. Diese Vorschrift schließt sämtliche Ansprüche aus, die den Abschluss eines Vertrages zum Gegenstand haben. Auch unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs wegen Unmöglichkeit gem. §§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 Abs. 2, 283 S. 1 BGB sei die Klage daher nicht begründet.

Hinweise für die Praxis

Das BAG bestätigt mit vorliegender Entscheidung die bisherige Senatsrechtsprechung, nach der ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitszeit hat, falls der Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz iSd. § 9 TzBfG endgültig mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt (so auch schon BAG 01.06.2011 − 7 ABR 117/09). Nach kritischen Stimmen steht dies dem Rechtsgedanken des § 162 BGB entgegen, wonach niemand aus einem von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten darf. Dem hält das BAG allerdings entgegen, dass dem Arbeitnehmer die Möglichkeit bleibt, Schadensersatz in Geld zu verlangen. Hierüber hatte das BAG in diesem Fall allerdings nicht zu befinden, da ein entsprechender Antrag nicht gestellt war.

Daher ist die Entscheidung zwar zu begrüßen, es bleibt aber zu berücksichtigen, dass Verstöße des Arbeitgebers gegen § 9 TzBfG regelmäßig nicht folgenlos bleiben. Betroffene Arbeitnehmer können nach §§ 251 Abs. 1, 252 BGB Schadensersatz in Geld verlangen und zwar in Höhe der Vergütungsdifferenz für den gesamten Zeitraum, in dem sich der Verstoß finanziell auswirkt (so etwa BAG 16.09.2008 - 9 AZR 781/07). Für Arbeitgeber folgt hieraus ein ggfls. erhebliches finanzielles Risiko, wenn sie Aufstockungsverlangen von Teilzeitbeschäftigten unter Verstoß gegen § 9 TzBfG übergehen. Daher ist jederzeit anzuraten, entsprechende Anfragen von Arbeitnehmern ernst zu nehmen und genau zu prüfen.

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