Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitnehmerüberlassung und gemeinsamer Betrieb

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 13.06.2017 (AZ 5 Sa 209/16) bestätigt, dass eine Arbeitnehmerüberlassung von der Tätigkeit eines Arbeitnehmers in einem sog. gemeinsamen Betrieb zu unterscheiden ist. Um Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich dann nicht, wenn ein Arbeitnehmer in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt wird, zu dessen gemeinsamer Führung sich der Vertragsarbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben.

Sachverhalt

Die Parteien haben darüber gestritten, ob die bei einer Universitätsklinik angestellte Krankenschwester im Wege der Arbeitnehmerüberlassung in einem Nierenzentrum tätig geworden ist, das eine Universitätsklinik und ein gemeinnütziger Verein gegründet hatten. Der gemeinnützige Verein unterhält in Deutschland viele Nierenzentren zur ausschließlich ambulanten Versorgung chronisch Nierenkranker. Die Universitätsklinik und der Verein haben ihre  Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung detailliert geregelt. Die Universitätsklinik hatte mit der klagenden Krankenschwester noch eine Vereinbarung geschlossen, mit der sich diese bereit erklärte, ihre Arbeitsleistungen (Tätigkeiten der Gesundheits- und Krankenpflege) auch im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vorübergehend bei Drittbetrieben zu erbringen. Die Klägerin hat sich im gerichtlichen Verfahren u.a. auf den Standpunkt gestellt, sie sei gewerbsmäßig dem gemeinnützigen Verein als Leiharbeitnehmerin überlassen worden. Deshalb müsste sie nach den für den gemeinnützigen Verein geltenden Tarifverträgen vergüten werden und damit stünde ihr eine höhere Vergütung zu.

Die Klage hatte weder  vor dem Arbeitsgericht  noch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das LAG hat festgestellt, dass die Krankenschwester nicht als Leiharbeitnehmerin i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG tätig geworden sei, ihr auch deshalb kein höherer Anspruch zustehe. Sie sei vielmehr in einem gemeinsamen Betrieb eingesetzt worden.

Um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich nach Ansicht des LAG dann nicht, wenn Arbeitnehmer in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt werden, zu dessen gemeinsamer Führung sich der Vertragsarbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben (so bereits auch BAG, 25.10.2000). Kennzeichen eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen ist, dass die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbinden. An der Wahrnehmung der maßgeblichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten durch eine einheitliche Leitung fehlt es indes in Fällen einer unternehmerischen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern, in denen sich die Beteiligung des einen Arbeitgebers nur auf das Zur-Verfügung-Stellen seiner Arbeitnehmer an den anderen Arbeitgeber beschränkt.

Die Universitätsklinik und der gemeinnützige Verein haben nach Ansicht des Landesarbeitsgerichtes das Nierenzentrum gemeinsam geführt. Es bestehe ein einheitlicher Leitungsapparat, an dem beide einen erheblichen Anteil hätten. Die Universitätsklinik habe ihr arbeitgeberseitiges Weisungsrecht auch nicht auf den gemeinnützigen Verein übertragen und ihm ihre Arbeitnehmer unterstellt.

Hinweise für die Praxis

Bei einer Arbeitnehmerüberlassung sind die strengen Regeln des AÜG zu beachten. Aus diesem Grund gibt es in der Praxis oft Bestrebungen, Personen für eigene Zwecke außerhalb des Geltungsbereiches des AÜG einzusetzen. Hierzu wird auch auf Werk- oder Dienstverträge ausgewichen, die aber problematisch sein können.

Die vorliegende Entscheidung bestätigt erneut, dass bei Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs keine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Sie zeigt aber auch, dass die Grenzen des gemeinsamen Betriebs fließend sind. Unternehmen sind deshalb gut beraten, eine Zusammenarbeit klar zu regeln. Soll ein gemeinsamer Betrieb gegründet werden, muss eine Führungsvereinbarung geschlossen werden, nach der die beteiligten Unternehmen die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen für alle im Gemeinschaftsbetrieb tätigen Arbeitnehmer gemeinsam treffen – es muss ein einheitlicher Leitungsapparat vorliegen. Ein gemeinsame Betrieb hat aber auch eine Kehrseite: So muss z.B. die Sozialwahl bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig unter allen tätigkeitsbezogen vergleichbaren Arbeitnehmern des gesamten gemeinsamen Betriebs durchgeführt werden. Bei der Prüfung, ob Schwellenwerten überschritten werden, wird zudem regelmäßig auf die Anzahl aller Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes abgestellt.

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