Die Türkei boomt. Sie hat sich in den letzten 10 Jahren zu der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft Europas gemausert. Kein Wunder, dass auch deutsche Unternehmen sich in der Türkei engagieren: Mehr als 3.600 deutsche Unternehmen sind in der Türkei tätig, allein im Jahr 2011 wurden in der Türkei 480 neue Gesellschaften mit deutschem Kapital gegründet. Durch eine tiefgreifende Gesetzesreform haben sich jetzt die Rahmenbedingungen für deutsche Investoren weiter verbessert: Am 1. Juli 2012 ist ein neues türkisches Handelsgesetzbuch in Kraft getreten. Das Handels- und Gesellschaftsrecht wurde dadurch in großen Teilen vollkommen neu gestaltet und an Standards der Europäischen Union angeglichen. Neu und wichtig ist vor allem die Möglichkeit, eine türkische GmbH als 1-Personen-Gesellschaft zu gründen.

Wesentliche Eckpunkte der Reform lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Gesellschaftsrecht


Die auffälligste der vielen Neuregelungen sieht vor, dass sowohl die (türkische) Aktiengesellschaft als auch die (türkische) GmbH jetzt als Einpersonengesellschaften gegründet werden können. Bisher waren hierfür mindestens fünf Aktionäre bzw. zwei Gesellschafter erforderlich, was die Gründung und den Erwerb von Unternehmen unnötig erschwerte.

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft kann jetzt aus nur einer Person bestehen, wo bisher drei Personen erforderlich waren. Außerdem können jetzt auch juristische Personen Mitglied im Vorstand sein - eine wichtige Modernisierung des türkischen Gesellschaftsrechts.

Vielerorts ist noch zu lesen, dass nach der Reform mindestens ein vertretungsberechtigtes Mitglied des Vorstands türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei zu sein habe. Dies ist nicht richtig. Der entsprechende Passus wurde vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gestrichen. Auch bei der GmbH ist es nicht erforderlich, dass mindestens ein alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer seinen Wohnsitz in der Türkei hat.

Das Mindest-Grundkapital wurde für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften von mindestens 50.000 Türkischen Lira (TL) auf 100.000 TL erhöht, bei der GmbH wurde das Mindeststammkapital von 5.000 TL auf 10.000 TL angehoben.

2. Umwandlungsrecht

Neu sind darüber hinaus die detaillierten Vorschriften zu Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel von Gesellschaften. Das Umwandlungsrecht war in der Türkei bisher nur in Ansätzen normiert. Entscheidend ist insbesondere, dass bislang nur die Fusion zwischen Gesellschaften gleicher Art möglich war - diese Beschränkung ist entfallen.

3. Aufstellung und Veröffentlichung von Jahresabschlüssen

Im Bereich der Rechnungslegung sind die türkischen Regelungen an die internationalen Standards angeglichen worden. Die Aufstellung von Einzel- wie Konzernabschlüssen ist verpflichtend und wird von einer neu eingerichteten Kontrollbehörde überwacht. Entgegen immer noch kursierender Darstellungen wird es allerdings keine Pflicht zur Veröffentlichung der Finanz- und Tätigkeitsberichte geben. Die Vorschriften, die dies vorsahen, sind vom türkischen Gesetzgeber kurzfristig gestrichen worden.

4. Handelsvertreterrecht

Im Handelsvertreterrecht sind wichtige Anpassungen an die europäische Handelsvertreterrichtlinie vorgenommen worden. Neu sind insbesondere die Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters (entsprechend § 89b HGB). Die Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstands und die Wahl deutschen Rechts unter Ausschluss des Ausgleichsanspruchs sind für deutsche Lieferanten weiterhin zu empfehlen. Denn außerhalb der EU (also auch in der Türkei) ist der Handelsvertreterausgleichsanspruch aus deutscher Sicht nicht zwingendes Recht, sondern abdingbar. Ob die türkischen Gerichte das im Streitfall auch so sehen und akzeptieren, bleibt abzuwarten.

5. Fazit

Mit dem neuen Handelsgesetzbuch geht die Türkei einen entscheidenden Schritt auf international bewährte Standards im Handels- und Gesellschaftsrecht zu. Mit Unsicherheiten ist, wie bei allen großen Gesetzesreformen, zwar anfänglich zu rechnen, doch werden die Neuerungen in ihrer Gesamtheit das Wachstum auf diesem Zukunftsmarkt weiter befeuern.

Dr. Barbara Mayer in Kooperation mit Dr. Seyfi Moroglu, Moroglu Arseven, Istanbul

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