Am 11.10.2011 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein einheitliches Europäisches Kaufrecht veröffentlicht. Eine Zustimmung von EU-Parlament und Ministerrat wird erwartet. Das EU-Kaufrecht sollen Unternehmen und Verbraucher in grenzüberschreitenden Verträgen über Waren, digitale Inhalte und verbundene Dienstleistungen innerhalb der EU künftig optional vereinbaren können. Dadurch sollen Handelshemmnisse abgebaut werden, die aufgrund der unterschiedlichen Rechtsordnungen in Europa bestehen.

Damit das EU-Kaufrecht nicht das gleiche Schicksal erleidet wie das seit 1980 geltende UN-Kaufrecht, dessen Geltung in Verträgen regelmäßig ausgeschlossen wird, haben die Brüsseler Juristen sich um eine attraktivere Gestaltung bemüht. So enthält es z.B. Regelungen zu Irrtümern beim Vertragsschluss, unlauteren Vertragsklauseln und zur Verjährung, die im UN-Kaufrecht fehlen. Damit entfällt in diesem Bereich der Rückgriff auf die jeweiligen nationalen Normen. Außerdem bietet das EU-Kaufrecht einheitliche Regelungen für Verbraucherverträge. Bisher führt die unterschiedliche Umsetzung der EU-Verbraucherschutzvorgaben in den nationalen Rechtsordnungen gerade im Internethandel mit Verbrauchern zu Hemmnissen. Internethändler müssen praktisch für jedes Land eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen formulieren. Die Wahl des einheitlichen EU-Kaufrechts bietet gerade in diesem Bereich also großes Vereinfachungspotential.

Vorteile für Unternehmen

  • Eine gemeinsame (jedoch fakultative) Kaufrechtsregelung, die für alle 27 Mitgliedstaaten identisch ist, so dass Unternehmen nicht mehr den Unwägbarkeiten ausgesetzt sind, die sich aus den verschiedenen Vertragssystemen der Mitgliedstaaten ergeben: Dem aktuellen Eurobarometer zufolge würden sich 71 % der europäischen Unternehmen beim grenzübergreifenden Verkauf an Verbraucher aus anderen EU-Ländern gegebenenfalls für das einheitliche europäische Vertragsrecht entscheiden.
  • Geringere Transaktionskosten für Unternehmen, die sich im Ausland betätigen wollen: Gegenwärtig müssen sich Unternehmen, die an Geschäften in andren EU-Staaten interessiert sind, bis zu 26 verschiedenen Vertragsrechtssystemen anpassen, diese übersetzen lassen und rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, was mit durchschnittlichen Kosten in Höhe von 10.000 EUR für jeden weiteren Exportmarkt verbunden ist.
  • Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) bei der Erschließung neuer Märkte: Derzeit sind lediglich 9,3 % aller EU-Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten tätig; damit entgehen ihnen jährlich mindestens 26 Mrd. EUR.


    Vorteile für Verbraucher

    • Einheitlich hohes Verbraucherschutzniveau in allen Mitgliedstaaten: Für die Verbraucher wird das Gemeinsame Europäische Kaufrecht ein verlässliches Gütezeichen darstellen. So bietet es Verbrauchern beispielsweise die freie Wahl zwischen verschiedenen Abhilfemöglichkeiten, wenn sie ein fehlerhaftes Produkt gekauft haben - und dies noch Monate nach dem Kauf. Verbraucher hätten demnach die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, auf Ersatz oder Reparatur zu pochen oder einen Preisnachlass zu verlangen. Zurzeit besteht diese freie Wahl zwischen Abhilfemöglichkeiten lediglich in fünf Ländern der EU (Frankreich, Griechenland, Litauen, Luxemburg und Portugal).
    • Mehr Auswahl an Produkten zu niedrigeren Preisen: Insbesondere Online- Schnäppchenjäger in der EU stoßen immer wieder auf Kauf- oder Lieferbeschränkungen. Mindestens 3 Mio. Verbraucher müssen jährlich diese unangenehme Erfahrung machen.
    • Rechtssicherheit bei grenzübergreifenden Geschäften: 44 % der Verbraucher beklagen, dass sie unsicher über die ihnen zustehenden Rechte sind und deswegen keine Produkte aus anderen EU-Ländern kaufen.
    • Mehr Transparenz und Vertrauen der Verbraucher: Verbraucher erhalten in jedem Fall klare Informationen und müssen der Verwendung eines auf dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht basierenden Vertrags zustimmen. Darüber hinaus bekommen sie ein Informationsblatt in ihrer Sprache, das sie unmissverständlich über ihre Rechte aufklärt.


    Zum Anwendungsbereich

    Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht gilt nur, wenn sich beide Vertragsparteien freiwillig und ausdrücklich darauf verständigen. Es gilt sowohl für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern als auch für Geschäfte zwischen Unternehmen.

    Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht ist auf grenzübergreifende Verträge anwendbar, wenn eine der Vertragsparteien ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU hat. Die Mitgliedstaaten haben die Wahl, das Gemeinsame Europäische Kaufrecht auch auf inländische Verträge anzuwenden.

    Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht gilt für Kaufverträge - diese machen den Löwenanteil des EU-Binnenhandels aus - und auf Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte wie Musik, Filme, Software oder Smartphone-Anwendungen.

    Nähere Informationen dazu finden Sie hier.

    Dr. Barbara Mayer, Sven Ufe Tjarks

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