Das von Deutschland und anderen EU-Staaten aufgestellte Staatsangehörigkeitserfordernis für den Zugang zum Notarberuf stellt eine nach dem EG-Vertrag verbotene Diskriminierung dar. Damit haben grundsätzlich auch EU-Ausländer Zugang zum Notarberuf in Deutschland. Eine Öffnung des deutschen Notariats für ausländische Notare folgt aus dieser Entscheidung aber (noch) nicht.

Hintergrund


In Deutschland üben die Notare ihre Tätigkeiten überwiegend freiberuflich aus. Sie werden nach § 1 BNotO als "unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege" bestellt. Nach § 5 BNotO dürfen allerdings nur deutsche Staatsangehörige Notare werden.

Gegen diese Beschränkung und entsprechende Regelungen in fünf weiteren EU-Staaten klagte die Europäische Kommission vor dem EuGH. Die Kommission machte geltend, dass die Niederlassungsfreiheit als wesentliches Grundprinzip des Unionsrechts den Angehörigen eines Mitgliedstaats erlaube, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats selbständige Erwerbstätigkeiten nach den Rechtsvorschriften, die im Mitgliedstaat der Niederlassung für dessen eigene Angehörigen gelten, aufzunehmen und auszuüben. Jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ergebe, sei daher untersagt. Da Deutschland den Zugang zum Beruf des Notars den deutschen Staatsangehörigen vorbehalte, liege eine unzulässige Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit vor.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH folgte der Auffassung der Kommission und erklärte das in § 5 BNotO enthaltene Staatsangehörigkeitserfordernis für europarechtswidrig. Das von den verklagten EU-Staaten vorgebrachte Gegenargument, die Niederlassungsfreiheit gelte nicht für Notare, da diese öffentliche Gewalt ausübten, wies der EuGH zurück. Das Gericht stellte hierzu fest, dass die beruflichen Tätigkeiten der Notare keine Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des EG-Vertrags darstellten. Die Hauptaufgabe des Notars bestehe in der Beurkundung von Akten oder Verträgen, denen sich die Parteien freiwillig unterworfen hätten und deren Grenzen die Parteien selbst vorgäben. Daraus folge, so der EuGH, dass die Beurkundungstätigkeit nicht mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sei.

Auch das Argument, die Tätigkeit der Notare gewährleiste die Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen und diene damit dem Allgemeininteresse, ließen die Luxemburger Richter nicht gelten. Sie erklärten, dass verschiedene Berufe im Interesse der Allgemeinheit reglementiert seien, ohne dass diese Tätigkeiten deshalb als Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen seien. Abschließend wies der EuGH noch darauf hin, dass die Notare ihren Beruf in den Grenzen ihrer jeweiligen örtlichen Zuständigkeiten unter Wettbewerbsbedingungen ausübten, was für die Ausübung öffentlicher Gewalt untypisch sei. Und außerdem hafte allein der Notar - und nicht der Staat - für die Handlungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit.

Praxishinweis

Als Folge des EuGH-Urteils muss Deutschland sein Notariat auch für Angehöre anderer EU-Staaten öffnen. Die unmittelbaren Konsequenzen dieser Entscheidung für die Ausgestaltung des Notarberufs sind jedoch gering. Denn der EuGH hat ausdrücklich festgestellt, dass sein Urteil weder "den Status noch die Organisation des Notariats" in der deutschen Rechtsordnung betreffe. Ebenso ließ das Gericht offen, inwiefern andere Zugangsvoraussetzungen neben der Staatsangehörigkeit bestehen bleiben können. Das bedeutet, dass die nach § 5 BNotO ebenfalls erforderliche "Befähigung zum Richteramt" durch das Urteil nicht berührt wird. Damit können auch weiterhin nur sog. "Volljuristen", d.h. Personen mit zwei abgeschlossenen juristischen Staatsprüfungen in Deutschland Notar werden. In der Praxis bleibt der Zugang zum Notarberuf damit zunächst weitgehend auf deutsche Staatsbürger beschränkt, da es (immer noch) nur wenige Ausländer gibt, die eine vollständige juristische Ausbildung in Deutschland absolvieren und damit die notwendigen Qualifikationen für den Notarberuf erfüllen.

Inwieweit in Zukunft eine gegenseitige grenzüberschreitende Anerkennung von Berufsqualifikationen geboten ist, hat der EuGH nicht entschieden. Die entsprechende Klage der Kommission hat der EuGH im Verfahren gegen Deutschland aus formalen Gründen abgewiesen, ohne sich inhaltlich zur Frage zu äußern, ob Deutschland ausländische Notarqualifikationen als gleichwertige Berufsqualifikationen anerkennen müsse.

Bis auf weiteres sind die EU-Staaten daher frei, den Zugang zum Notariat aus zwingenden Interessen des Allgemeinwohls zu beschränken. Solche Gründe können insbesondere der Verbraucherschutz und das ordnungsgemäße Funktionieren der Rechtspflege sein. Regelungen, die von ausländischen Notaren den Nachweis gleich hoher Qualifikationen fordern, können daher gerechtfertigt sein. Die Mitgliedsstaaten können also von den Bewerbern eine gewisse Berufserfahrung, einen Anpassungslehrgang oder möglicherweise sogar eine Eignungsprüfung verlangen. Im Hinblick auf die hohen juristischen Anforderungen des Notarberufs erscheint es durchaus sachgerecht, von ausländischen Notaren zu verlangen, dass sie die deutsche Notarprüfung ablegen, bevor sie sich in Deutschland als Notare niederlassen können. Diese hohe Hürde werden nur wenige ausländische Notare nehmen können. Eine Überschwemmung des deutschen Notariats mit Kollegen aus dem EU-Ausland ist damit nicht zu befürchten.

Dr. Barbara Mayer, Dr. Ben Steinbrück, MJur (Oxford)

 

 

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