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Zum Widerspruchsrecht von GmbH-Geschäftsführern untereinander

Ein Fremdgeschäftsführer einer GmbH hat allein aufgrund seiner Organstellung keinen eigenen individualrechtlich begründeten Unterlassungsanspruch gegen seinen Mitgeschäftsführer, aufgrund dessen er verlangen könnte, dass die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des anderen vorübergehend einzuschränken ist. Das ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken (OLG).

Sachverhalt

Dem Urteil des OLG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die M GmbH hat zwei Geschäftsführer, von denen keiner zugleich Gesellschafter der GmbH ist (sog. Fremdgeschäftsführer). Eine Geschäftsordnung der Geschäftsführung besteht nicht. Als einer der beiden Geschäftsführer Auslandszahlungen für eine von der M GmbH als Komplementärin vertretenen Kommanditgesellschaft (KG) tätigen will, widerspricht der andere Geschäftsführer diesem Vorhaben und forderte dessen Unterlassung und die damit einhergehende Einschränkung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des anderen Geschäftsführers. Bereits in der Vergangenheit hatte der Geschäftsführer Maßnahmen des anderen Geschäftsführers widersprochen. Um dies gegenüber dem anderen Geschäftsführer durchzusetzen, stellte der widersprechende Geschäftsführer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (Unterlassungsverfügung) gegen den anderen Geschäftsführer. Nach erstinstanzlicher Entscheidung durch das LG Saarbrücken, hatte nun das OLG Saarbrücken über die Berufung des beklagten Geschäftsführers zu entscheiden. Die Berufung hatte Erfolg.

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 14.06.2023 (Az. 1 U 91/22)

Nach Auffassung des OLG stünde einem Fremdgeschäftsführer aufgrund der internen Kompetenzverteilung innerhalb einer GmbH kein eigener Unterlassungsanspruch gegen seinen Mitgeschäftsführer zu. Der widersprechende Fremdgeschäftsführer könne damit nicht verlangen, dass die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis seines Mitgeschäftsführers vorläufig eingeschränkt werde. Ob dem Fremdgeschäftsführer unbeschadet der grundsätzlichen Einzelgeschäftsführungsbefugnis seines Mitgeschäftsführers nach § 115 Abs. 1 HGB analog (aF) das Recht zusteht, bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen zu widersprechen, lässt das OLG zwar offen. Es positioniert sich in dieser Hinsicht allerdings kritisch, da es in Bezug auf die Rechtsfolge des Widerrufrechts aus § 115 Abs. 1 HGB (aF) resümiert, dass dieses seine Grundlage in dem Mitgliedschaftsrecht des jeweiligen Gesellschafters finde, auf das sich der betroffene Fremdgeschäftsführer im konkreten Streitfall gerade nicht berufen könne. Jedenfalls resultiere aus einem solchen Widerspruchsrecht aber in der Folge kein weitergehender individueller Unterlassungsanspruch des widersprechenden GmbH-Fremdgeschäftsführers. Ein solcher lasse sich nämlich weder aus dem Gesetz noch aus Erwägungen der Gewährleistung möglichst effektiven Rechtsschutzes im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens herleiten. Ein aus § 115 Abs. 1 HGB (aF) analog abgeleitetes Widerspruchsrecht des Geschäftsführers könne selbst bei Bestehen eines Widerspruchsrechts nicht so weit reichen, dass er als Fremdgeschäftsführer vorbeugend gegen bestimmte Arten von Geschäftsführungsmaßnahmen einen generellen Widerspruch einlegen und einen eigenen Anspruch auf Unterlassung geltend machen könne. Andernfalls hätte ein Fremdgeschäftsführer die Möglichkeit, eigenmächtig und ohne Beteiligung der Gesellschafter die grundsätzlich bestehende Einzelvertretungsberechtigung des Mitgeschäftsführers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes weitgehend einzuschränken.

Praxishinweise

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken macht deutlich, dass sich das rechtliche Verhältnis zwischen mehreren Fremdgeschäftsführern untereinander stets im Spannungsfeld zwischen dem in der Praxis notwendigen Prinzip der Einzelverantwortung auf der einen Seite, und der Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer für eine kollegiale Zusammenarbeit auf der anderen Seite sowie der Wahrung der Gesellschaftsinteressen insgesamt befindet.

Leider ließ das OLG gerade die relevante Frage, ob auch dem (GmbH) - Fremdgeschäftsführer ohne jegliches gesellschaftsrechtliches Mitgliedschaftsrecht tatsächlich ein aus § 115 Abs. 1 HGB aF abgeleitetes Widerspruchsrecht zukommen kann, letztlich offen. Jedenfalls in der Rechtsfolge, so das OLG, könne dem GmbH-Fremdgeschäftsführer – selbst bei Annahme eines Widerspruchsrechts – kein Unterlassungsanspruch zustehen. Ob ein Widerspruchsrecht daher besteht oder nicht, musste das OLG daher vorliegend nicht entscheiden.

Im Recht der OHG ist zu § 115 Abs. 1 HGB (aF) in Bezug auf die prozessuale Durchsetzbarkeit anerkannt, dass das Widerspruchsrecht im Wege einer Unterlassungsklage sowie mittels vorläufigen Rechtsschutzes in Form des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchgesetzt werden kann.

Da § 115 HGB (aF) jedoch im Personengesellschaftsrecht verortet ist und damit der Geschäftsführer stets auch Gesellschafter ist, ist die Norm nicht ohne Weiteres auf das Recht der GmbH als Kapitalgesellschaft anwendbar. So führt auch das OLG Saarbrücken aus, dass die Wertung des § 115 HGB (aF) auf einen GmbH-Fremdgeschäftsführer nicht ohne Weiteres übertragen werden kann.

Durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) ist der Regelungsgehalt des § 115 Abs. 1 HGB (aF) seit dem 01.01.2024 in § 116 Abs. 3 HGB überführt worden. Inhaltliche Auswirkungen ergeben sich im Hinblick auf die Bewertung der Entscheidung des OLG daraus aber nicht, insbesondere, da auch § 116 Abs. 3 HGB unverändert an die Gesellschafterstellung anknüpft.

Das Urteil zeigt jedenfalls, dass Gesellschaften ihre innere Organisationsstruktur und ihre Regelungen zur Geschäftsführung und Kompetenzverteilung sorgfältig und umfassend regeln sollten, um innerorganschaftliche Rechtstreitigkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden.

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