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Ein „Digital Native“ im fortgeschrittenen Alter? Entschädigung wegen Altersdiskriminierung bei Einstellung

Die Bezeichnung „Digital Native“ in einer Stellenanzeige zielt nach dem Arbeitsgericht Heilbronn auf BewerberInnen der jüngeren Generation ab. Sie ist damit als Indiz für eine Altersdiskriminierung zu werten (Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 18.01.2024 – 8 Ca 191/23).

Sachverhalt

Dem Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der 1972 geborene Kläger ist Diplomwirtschaftsjurist, die Beklagte ein Sportartikelhändler. Im April 2023 schrieb die Beklagte über das Internet eine unbefristete Vollzeitstelle für einen Manager Corporate Communication (m/w/d) Unternehmensstrategie aus. In der Anzeige hieß es wörtlich: "Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause.“ Der Kläger erhielt eine Absage. Er fühlte sich seines Alters wegen diskriminiert und klagte eine Entschädigung von 37.500 Euro ein. Die Beklagte wehrte sich und führte an, der Kläger sei für die Stelle überqualifiziert und habe keinerlei Bezüge zum Sport. Die Formulierung in der Stellenanzeige habe locker wirken und ganz allgemein BewerberInnen ansprechen wollen, die sich in der digitalen Welt zuhause fühlen.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht wertete den Begriff „Digital Native“ als Indiz für eine Altersdiskriminierung und gab dem Kläger in der Sache Recht. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liege eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, z.B. wegen des Alters, eine weniger günstige Behandlung erfahre als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Unter "Digital Native" sei eine Person zu verstehen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist. Der Begriff habe klaren Bezug zu einer Generation, welcher der Kläger nicht angehöre. Der Beklagten ist es hingegen nicht gelungen, die Vermutung einer Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters auszuräumen. Sie habe den Begriff „Digital Native“ schließlich einfach weglassen oder stattdessen den Begriff „Digital Immigrant“ verwenden können, der auch ältere BewerberInnen angesprochen hätte. Für die erlittene Altersdiskriminierung stehe dem Kläger allerdings keine Entschädigung in Höhe von fünf Monatsgehältern zu. Angemessen sei eine Entschädigung in Höhe von 1,5 Monatsgehältern, insgesamt 7.500 Euro.

Hinweis für die Praxis

Die Beklagte kann von Glück sagen, dass das Arbeitsgericht dem Kläger nur eine deutlich reduzierte Entschädigungssumme zusprach. Doch das Urteil zeigt: Allzu große Kreativität bei der Formulierung einer Stellenanzeige kann sich bitter rächen. Arbeitgeber sollten sich weitmöglich darauf beschränken, die wesentlichen fachlichen Anforderungen in der Stellenanzeige zu benennen, damit sie im Anschluss sauber prüfen und zu dokumentieren können, welche Bewerbung diesen Kriterien aus welchem Grund nicht entspricht.

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