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Entgeltfortzahlung bei Corona-Infektion und einer behördlichen Absonderungsanordnung

Eine SARS-CoV-2-Infektion stellt auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit i.S.d. § 3 Abs. 1 EFZG dar. Eine solche kann auch dann zur Arbeitsunfähigkeit führen, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber zu erbringen, und er nicht von zuhause aus arbeiten kann. Dies folgt aus einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG).

Sachverhalt

Dem Urteil des BAG vom 20.03.2024 (5 AZR 234/23) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der klagende Arbeitnehmer ist Produktionsmitarbeiter. Er hatte sich keiner Schutzimpfung gegen Corona unterzogen und wurde am 26.12.2021 positiv auf das Virus getestet. Für die Zeit vom 27. - 31.12.2021 war der Arbeitnehmer, der unter Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen litt, arbeitsunfähig und legte für diese Zeit auch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor – für diese Zeit zahlte der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Am 29.12.2021 ordnete die Gemeinde an, dass der Arbeitnehmer bis zum 12.01.2022 in häuslicher Umgebung in Quarantäne bleiben musste. Der behandelnde Arzt lehnte es ab, für die Zeit vom 3. -12.01.2022 eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszustellen und begründete dies, das positive Testergebnis und die Absonderungsanordnung zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit würden ausreichen. Die Beklagte zog daraufhin von der Vergütung des Arbeitnehmers für Januar 2022 einen Betrag i.H.v. ca. EUR 1.000 brutto ab.

Der Arbeitnehmer klagte auf Zahlung des abgezogenen Betrags. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitgeber zur Zahlung verurteilt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Arbeitgebers beim Bundesarbeitsgericht (BAG) blieb ohne Erfolg.

Das Landesarbeitsgericht hat nach Ansicht des BAG im ersten Schritt zutreffend erkannt, dass der Kläger aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war. Es komme nicht darauf an, ob beim Arbeitnehmer durchgehend Symptome von COVID-19 vorgelegen hätten. Die SARS-CoV-2-Infektion stelle einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Entscheidend sei, dass die behördliche Absonderungsanordnung keine eigenständige, parallele Ursache für die Arbeitsunfähigkeit sei. Vielmehr habe das Tätigkeitsverbot gerade auf der Infektion (sog. Monokausalität) beruht und diese sei die nicht hinwegzudenkende Ursache für die nachfolgende Absonderungsanordnung gewesen. Aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion sei es dem Kläger damit rechtlich unmöglich gewesen (§ 275 Abs. 1 BGB), die geschuldete Arbeitsleistung im Betrieb des Arbeitgebers zu erbringen.

Das BAG bestätigte im zweiten Schritt die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden konnte, dass das Unterlassen der empfohlenen Corona-Schutzimpfung für die SARS-CoV-2-Infektion ursächlich war, auch wenn man zugunsten des Arbeitgebers sogar unterstellte, dass die Nichtvornahme der Schutzimpfungen einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten darstellt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Bei der Bewertung der Ursächlichkeit habe das Landesarbeitsgericht die Gefahr von Impfdurchbrüchen in die Kausalitätsprüfung einbeziehen dürfen. Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hätten Ende Dezember 2021/Anfang Januar 2022 die wöchentlichen Lageberichte des RKI und dessen Einschätzung der Impfeffektivität nicht den Schluss zugelassen, dass die beim Kläger aufgetretene Corona-Infektion durch die Inanspruchnahme der Schutzimpfung hätte verhindert werden können.

Im dritten Schritt stellte das BAG schließlich fest, dass dem Arbeitgeber auch kein Leistungsverweigerungsrecht deshalb zustand, weil der Kläger keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hatte (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG). Der Kläger habe dem Arbeitgeber vielmehr durch Vorlage der Ordnungsverfügung der Gemeinde in anderer und auch geeigneter Weise nachgewiesen, dass er infolge seiner Corona-Infektion objektiv an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert gewesen sei.

Hinweise für die Praxis

Auch nach Corona stellen sich viele Rechtsfragen aus Sachverhalten rund um Corona, die nunmehr von den Gerichten nach uns nach entschieden werden.

Das BAG prüfte den vorliegenden Corona-Fall und auch die Frage, ob der Kläger durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit in der besonderen Konstellation verhindert war, mit bekannten „Hausmitteln“. Es kam insbesondere aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, an die das BAG gebunden war, zu dem richtigen Ergebnis, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestand. Hätte das Landesarbeitsgericht indes festgestellt und wäre es damit davon auch überzeugt gewesen, dass zum Zeitpunkt der Erkrankung des Klägers dessen Corona-Infektion durch eine Impfung hätte verhindert werden können, hätte das Urteil anders ausgefallen können. Das Landesarbeitsgericht und das BAG hätten sich aber dann mit der auch nicht einfach zu beantwortenden Frage auseinandersetzen müssen, ob die unterlassene Impfung für den klagenden Arbeitnehmer und zum damaligen Zeitpunkt ein „gröblicher Verstoß“ war – diese Frage konnte das Landesarbeitsgericht offen lassen, es kam hierauf im Ergebnis und im entschiedenen Fall nicht an.

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