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Wann kann ein BGB-Gesellschafter im eigenen Namen für eine GbR klagen?

Ein Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft ist bei dringendem Handlungsbedarf wegen einer Gefahr für die Gesellschaft oder ihr Vermögen entsprechend § 744 Abs. 2 BGB prozessführungsbefugt. Er kann dann im eigenen Namen klagen und Leistung an die Gesellschaft verlangen. Dies folgt aus einem Urteil des OLG Saarbrücken.

Sachverhalt

Dem Urteil des OLG Saarbrücken liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger und ein weiterer Gesellschafter betrieben in Form einer BGB-Gesellschaft (GbR) eine Bäckerei. Mit Kaufvertrag vom 01.02.2019 veräußerte die GbR die Bäckerei an den Beklagten. Dieser verpflichtete sich, neben der Zahlung des vertraglich festgelegten Kaufpreises auch die Verbindlichkeiten der GbR, insbesondere laufenden Rechnungen der GbR, zu übernehmen. Er zahlte zwar den Kaufpreis, die Verbindlichkeiten erfüllte der Beklagte jedoch nicht.

Nach dem Verkauf der Bäckerei an den Beklagten war der Mitgesellschafter nicht mehr zu erreichen, sodass der Kläger die ausstehenden Rechnungen der GbR für Müll, Strom und Gas selbst beglich. Der Kläger forderte den Beklagten vergeblich auf, die von ihm beglichenen Kosten zu ersetzen.

Er klagte daraufhin im eigenen Namen vor dem Landgericht Saarbrücken und verlangte die Zahlung der übernommenen Kosten an ihn, hilfsweise an die GbR. Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung an die GbR. Hiergegen legte der Beklagte Berufung ein. Der Kläger sei nicht klagebefugt und für eine Klage der GbR bedürfe es der Mitwirkung des Mitgesellschafters.

Das Urteil des OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.05.2023 – 4 U 25/22

Die Berufung vor dem OLG Saarbrücken blieb ohne Erfolg. Der Kläger habe als Gesellschafter zwar keinen eigenen Anspruch aus dem Kaufvertrag gegen den Beklagten, er war jedoch berechtigt, den Anspruch der GbR im eigenen Namen geltend zu machen.

Der Kläger sei hierzu prozessführungsbefugt gewesen. Die erforderliche Prozessführungsbefugnis des Klägers ergebe sich aus einer analogen Anwendung des sogenannten „Notgeschäftsführungsrechts“ aus § 744 Abs. 2 BGB alter Fassung (nunmehr § 715a BGB). Nach dieser Vorschrift kann jeder Gesellschafter Maßnahmen treffen, die zur Erhaltung der Gesellschaft oder ihres Vermögens notwendig sind, wenn hierzu ein dringender Handlungsbedarf wegen einer Gefahr für die Gesellschaft oder ihr Vermögen besteht. Dies sei nach der Auffassung des OLG für die BGB-Gesellschaft der Fall, wenn die handlungsbefugten Organe der Gemeinschaft nicht handeln. In diesen Fällen sei es ein unnötiger Umweg, zunächst die anderen Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung zu verklagen. Der Kläger bedurfte daher auch nicht der Mitwirkung seines nicht mehr zu erreichenden Mitgesellschafters.

Praxishinweis

Grundsätzlich ist nur der Inhaber des Rechts befugt, im eigenen Namen einen Prozess zu führen. Dies hätte vorliegend aber erfordert, dass der Mitgesellschafter der Prozessführung zustimmt. Ausnahmsweise kann jedoch auch ein Dritter fremde Rechte im eigenen Namen geltend machen (Prozessstandschaft).

Für Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern ist bei Personengesellschaften anerkannt, dass jeder Gesellschafter Ansprüche, die der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen einen Gesellschafter zustehen, im eigenen Namen zu Gunsten der Gesellschaft geltend machen kann (actio pro socio). Dies gilt aber so allgemein nicht für Ansprüche gegen Nichtgesellschafter.

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken betraf die Notgeschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters. Diese stellt einen Ausnahmefall dieser Grundregeln dar und bedarf deshalb einer restriktiven Auslegung. Im vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall war der erforderliche dringliche Handlungsbedarf jedoch ausnahmsweise gegeben, sodass der Entscheidung zuzustimmen ist.

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