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Keine einseitige Umstellung von jährlichen Einmalzahlungen in monatliche Teilbeträge

Die Zweifelsregelung in § 271 Abs. 2 BGB gestattet es einem Arbeitgeber nicht, eine dem Arbeitnehmer bisher zustehende jährliche Einmalzahlung wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld einseitig auf monatliche Zahlungen umzustellen, um sie pro rata temporis auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen zu können. Dies hat das LAG Baden-Württemberg mit Urteil vom 11.01.2024 – 3 Sa 4/23 entschieden.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Baden-Württemberg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist seit August 2000 bei der Beklagten, die exklusive Haar- und Hautkosmetik produziert und vertreibt, beschäftigt.

Nachdem die Beklagte bis zum Jahr 2021 das Urlaubsgeld der Klägerin mit der Vergütung für den Monat Juni und das Weihnachtsgeld mit der Vergütung für den Monat November ausbezahlt hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 22.12.2021 an, fortan das Urlaubs- und Weihnachtsgeld künftig vorbehaltlos und unwiderruflich in jährlich 12 gleich hohen monatlichen Raten zu zahlen und auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen.

Die Klägerin machte daraufhin geltend, dass eine einseitige Umwandlung der über Jahre erfolgten Einmalzahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld in eine anteilige Sonderzahlung nicht zulässig sei. Würde man der Beklagten das Recht einräumen, die Sonderzahlungen auf das Jahr hinweg gesplittet zu leisten, könnte die Beklagte durch eine solche buchhalterische Änderung der Auszahlungsbeträge schlichtweg Regelungen des Mindestlohnes aushöhlen.

Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, hatte die Berufung der Klägerin teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG könne sich die Beklagte zur Begründung der Mindestlohnwirksamkeit der ab Januar 2022 vorgenommenen monatlichen anteiligen Auszahlungen nicht auf § 271 Abs. 2 BGB berufen. Denn nach der Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 BGB wirke eine (gesetzliche oder vertragliche) Bestimmung der Leistungszeit im Zweifel nur zugunsten des Schuldners.

Auch gelte § 271 Abs. 2 BGB als Auslegungsregel nur subsidiär und greife daher nicht ein, wenn sich aus dem Gesetz, einer Parteivereinbarung oder den Umständen etwas Anderes ergebe. Eine solche abweichende Regelung sei grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die Zeitbestimmung auch im Interesse des Gläubigers bestehe.

Vorliegend sei der Klägerin jedenfalls ein Interesse daran zuzugestehen, nicht durch Zulassung von vor dem vertraglich vereinbarten Zahlungszeitpunkt geleisteten Sonderzahlungen deren Anrechenbarkeit auf ihren gesetzlichen Mindestlohnanspruch zu ermöglichen.

Hinweise für die Praxis

Das LAG Baden-Württemberg hat klargestellt, dass ein Arbeitgeber jährliche Einmalzahlungen nicht einfach durch einseitige Entscheidung auf monatliche Zahlungen umstellen darf. Nach der Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 dürfe der Schuldner zwar im Zweifel früher leisten, was jedoch nicht gelte, wenn dem Interessen des Gläubigers entgegenstehen. Ein solches Interesse könne insbesondere darin bestehen, dass es zu keiner Anrechnung auf den Mindestlohn kommt. Da das LAG Baden-Württemberg die Revision zugelassen hat, bleibt abzuwarten, wie sich das BAG hierzu positionieren wird.

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