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Ausschluss des Bewertungsabschlags bei Erbschaft eines zu Wohnzwecken vermieteten Drittstaatengrundstücks ist unionsrechtswidrig

Im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer müssen zu Wohnzwecke vermietete Grundstücke, die innerhalb des EWR liegen, lediglich mit 90% des jeweiligen Grundstückswertes versteuert werden. Die dadurch bestehende Benachteiligung von Drittstaatengrundstücken außerhalb des EWR verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 12.10.2023 festgestellt.

Sachverhalt

Dem Urteil des EuGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der in Deutschland lebende Kläger erbte im Jahr 2016 Eigentum an zu Wohnzwecken vermieteten Grundvermögen in Kanada. Bei der Festsetzung der Erbschaftssteuer durch das Finanzamt wurden die Grundstücke in Kanada mit dem vollen gemeinsamen Wert angesetzt. Der Kläger beantragte, die Grundstücke in Kanada gem. § 13c Abs. 1 ErbStG a.F. (heute § 13d Abs. 1 ErbStG) mit nur 90% ihres Wertes anzusetzen. Der Kläger machte geltend, dass der Ausschluss von Drittstaaten gem. § 13c Abs. 3 Nr. 2 ErbStG a.F. (heute § 13d Abs. 3 Nr. 2 ErbStG) ein unzulässiger Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstelle. Nach Ablehnung des Antrags durch das Finanzamt erhob der Kläger vor dem Finanzgericht Köln Klage. Das Finanzgericht setzte das Verfahren aus und legte sodann dem EuGH die Frage, ob der Ausschluss von Drittstaaten unionsrechtswidrig ist, zur Vorabentscheidung vor.

Die Entscheidung des EuGH vom 12.10.2023 (C-670/21)

Der EuGH bejahte die Vorlagefrage. Gemäß Art. 63 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern grundsätzlich verboten. Die steuerliche Behandlung von Erbschaften falle unter die Bestimmungen des Kapitalverkehrs. Zudem stelle die Gewährung einer Steuervergünstigung, die davon abhängig gemacht wird, dass der übertragene Gegenstand im Inland belegen ist, eine grundsätzlich verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs dar.

Die Beschränkung könne zuletzt nicht gerechtfertigt werden. Nach Auffassungen des EuGH stellen die von der Bundesregierung vorgebrachten Gründe des sozialen Wohnungsbaus und der Gewährleistung einer wirksamen Steueraufsicht insbesondere keine die Beschränkung rechtfertigenden zwingenden Gründe des Allgemeinwohls dar. Eine wirksame Steueraufsicht sei durch das Doppelbesteuerungsabkommen mit Kanada gesichert. Zudem sei § 13c ErbStG a.F. nicht geeignet, das Ziel des sozialen Wohnungsbaus zu erreichen, da undifferenziert auf den Belegenheitsstaat abgestellt werde und die Vermietung zu Wohnzwecken nach dem Erwerb nicht aufrechterhalten werden muss.

Praxishinweis und Ausblick

Folge des Urteils ist nicht die Nichtigkeit des § 13d ErbStG. Stattdessen wird aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts das nationale Recht nur soweit und solange verdrängt, wie es im konkreten Fall dem Unionsrecht widerspricht und eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts nicht möglich ist. Da eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 13d Abs. 3 Nr. 2 ErbStG infolge des eindeutigen Wortlauts ausscheidet, wird die Beschränkung der Steuerbefreiung auf den EWR durch das Unionsrecht verdrängt. In der Folge besteht die sachliche Steuerbefreiung bei zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken derzeit weltweit. Dies gilt jedoch nur insoweit, wie eine wirksame Steueraufsicht durch einen funktionierenden Informationsaustausch mit dem Drittstaat sichergestellt ist.

Betroffene Erwerber sollten daher bei Verweigerung der sachlichen Steuerbefreiung, obwohl die oben genannten Voraussetzungen vorliegen, Einspruch gegen den Bescheid des Finanzamtes einlegen.

Inwiefern der deutsche Gesetzgeber auf dieses Urteil reagieren wird, bleibt abzuwarten. Die Wirtschaftsprognosen sowie die aktuelle Haushaltskrise lassen allerdings die Prognose zu, dass der Gesetzgeber nachjustieren wird und der weltweite Wohnungsmarkt langfristig nicht steuerlich begünstigt werden soll. Eine Streichung der gesamten Norm erscheint aufgrund der immer größer werdenden Wohnraumknappheit unwahrscheinlich. Naheliegender dürfte eine unionsrechtskonforme Anpassung der Norm sein. Dies ließe sich etwa dadurch erreichen, dass künftig nur noch zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke innerhalb des EWR von der sachlichen Steuerbefreiung profitieren, die in Orten mit besonderer Wohnungsnot liegen.

Des Weiteren könnten die Erwägungen des Urteils auch auf andere Steuerbefreiungen übertragen werden. So setzt beispielsweise die Steuerbefreiung bei Familienheimen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ebenfalls ein im EWR belegenes Grundstück voraus.

Bis zu einer ersatzlosen Streichung beziehungsweise Erhöhung der Anforderungen an den § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG kann die Regelung im Rahmen der Nachfolgeplanung aber derzeit noch ausgenutzt werden.

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