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Kommt ein MVZ-Regulierungsgesetz? Womit MVZs jetzt rechnen müssen

Die Bundesländer Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein (Antragsteller) haben einen Entschließungsantrag zur „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes" in den Bundesrat eingebracht. Hintergrund ist der Versuch, ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. In der Plenarsitzung vom 16. Juni 2023 wurde der Antrag angenommen.

Schutz der ärztlichen Unabhängigkeit

Das zukünftige Gesetz soll vor allem die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen und Freiberuflichkeit, die freie Arztwahl, sowie das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis schützen. Eine wettbewerbsfeindliche Anbieterdominanz soll verhindert werden. Da es immer wieder Befürchtungen gab, dass durch die zunehmende Investorenbeteiligung in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) die Versorgungsqualität leide. Das Argument: das Kapitalinteresse rücke zusehends in den Mittelpunkt. Diesen Befürchtungen will das Gesetz entgegenwirken und klarstellen, dass das Wohl der Patienten über kommerziellen Interessen stehen muss.

Transparenz in Sachen Eigentümer

Der Vorschlag enthält insgesamt neun Maßnahmen. Es handelt sich dabei um Maßnahmen, wie unter anderem eine Kennzeichnungspflicht für Träger und Betreiber auf dem Praxisschild und die Schaffung eines bundesweiten MVZ-Registers. Momentan seien die realen Eigentumsverhältnisse meist nicht für die Patienten vor Ort erkennbar. Mehr Transparenz würde auch durch ein neues MVZ-Register geschafften. Dieses müsste aber erst organisatorisch und strukturell entwickelt werden und wäre mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden.

Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern

Eine weitere geplante Maßnahme ist die räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern. Die Länder fordern eine räumliche Beschränkung der MVZ-Gründungsbefugnis von Krankenhäusern in einem Radius von bis zu 50 km um den Sitz des Krankenhauses. Der 50-km-Radius (7.800 km²) entspricht ungefähr der Fläche von drei bis vier größeren Landkreisen in Deutschland, jeweils bezogen auf die arztgruppenbezogenen Planungsbereiche. Ausnahmen sind nur für unterversorgte oder drohend unterversorgte Planungsbereiche vorgesehen. Nach Auffassung der Antragsteller soll dadurch das ursprünglich gesetzgeberische Ziel der besseren Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung erreicht werden.

Verfassungsrechtliche Bedenken der Neuregelung

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die Neuregelung kritisch zu sehen, denn die Beschränkung soll nur für einen MVZ-Träger mit einem Krankenhaus als Gesellschafter gelten. Sie dürfte somit gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Des Weiteren muss die Regelung aufgrund des Bestandsschutzes nur für zukünftige MVZ-Gründungen gelten, da andernfalls ein Verstoß gegen Art. 14 GG drohen würde.

Kommen Höchstversorgungsanteile?

Zudem wird die Einführung von Höchstversorgungsanteilen für Haus- und Fachärzte, sowohl bezogen auf die arztgruppenbezogenen Planungsbereiche beabsichtigt. Es sind Begrenzung des Versorgungsanteils für neue, von einem Träger gegründete, ärztliche MVZ im jeweiligen arztgruppenbezogenen Planungsbereich bei Hausärzten auf max. 25 Prozent, bei der allgemeinen und speziellen fachärztlichen Versorgung auf max. 50 Prozent pro Facharztgruppe vorgesehen. Max. 5 und 10 Prozent sind zudem als Höchstgrenze bezogen auf den jeweiligen Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung vorgesehen. Für unterversorgte und drohend unterversorgte Planungsbereiche sind Ausnahmen vorzusehen.

Verzicht auf Zulassung nicht mehr möglich?

Darüber hinaus soll die Möglichkeit des Verzichts auf die Zulassung zum Zwecke der Anstellung gem. § 103 Abs. 4a S.1 SGB V in einem MVZ gestrichen werden. Diese Regelung ist radikal. Sollte sie umgesetzt werden, macht sie die Neugründung von MVZs durch Investoren praktisch unmöglich.

Konzeptwerbung, Sitz und Position des Ärztlichen Leiters

Die „Konzeptwerbung“ von MVZs soll verboten werden. So darf das MVZ nicht mehr ohne Nennung eines konkreten Arztes werben.

Eine weitere Neuheit wäre die Möglichkeit, dass Kassenärztliche Vereinigungen und deren Einrichtungen, die Eigeneinrichtungen betreiben, das Recht erhalten, in diesem Zusammenhang Zulassungen zu erhalten. Sie hätten dann die Maßgabe, dass die Vertragsarztsitze nachfolgend an die dort tätigen angestellten Ärzte zur selbstständigen Niederlassung übertragen werden.

Die Position des Ärztlichen Leiters eines MVZ soll zudem gegen Beeinflussung gestärkt werden. Er soll ärztliche Entscheidungen treffen können, ohne dafür arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Dies kann durch einen besonderen Abberufungs- und Kündigungsschutz geschehen. Die Regelungen sehen vor, dass er eine Tätigkeit in Höhe eines vollen Versorgungsauftrages ausüben soll. Dabei ist der Ärztliche Leiter bereits jetzt vor Beeinflussung geschützt. Kritischer dagegen ist zu sehen, dass er einen vollen Versorgungsauftrag haben müsste, was mindestens 31 Stunden die Woche für die vertragsärztliche Tätigkeit entspricht. Genau das allerdings ginge zu Lasten seiner Kontroll- und Überwachungsfunktion. Angemessen erscheint daher ein hälftiger Versorgungsauftrag.

Im Gegensatz dazu würde die Möglichkeit der Disziplinarmaßnahme vom einzelnen Arzt auch auf das MVZ übertragen werden. Regelung im SGB V, dass Disziplinarmaßnahmen künftig auch gegen MVZ und sogar die Entziehung der Zulassung möglich wäre.

Fazit und Empfehlung

Zusammenfassend dürften die Regelungen aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken nur schwer umsetzbar sein. Prof. Dr. Martin Burgi kommt in seinem rechtswissenschaftlichen Gutachten („Verfassungs- und europarechtliche Grenzen verschärfter und neuer Verbote und Beschränkungen betreffend die Träger- und Inhaberstrukturen von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)“) vom 15. Mai 2023 zu einem ähnlichen Ergebnis und sieht in den Regelungen zudem einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV).
MVZs, Ärztliche Leiterinnen und Leiter und weiteres Management können sich über mögliche Konsequenzen jederzeit gern informieren. Auch für weitere gesellschafts- und arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Neustrukturierungen stehen wir gern zur Verfügung.

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