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Besteht mit einem Geschäftsführer ein Arbeitsverhältnis, geht dieses bei einem Betriebsübergang auf den Erwerber über

Liegt der rechtlichen Beziehung zwischen einem Geschäftsführer und der GmbH ein Arbeitsverhältnis zugrunde, geht dieses bei einem Betriebsübergang gem. § 613a BGB im Unterschied zur Organstellung auf einen Erwerber über. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.07.2023 – 6 AZR 228/22) entschieden.

Sachverhalt

Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger steht seit dem 01.09.2000 in einem Arbeitsverhältnis zu einer GmbH, zu deren Geschäftsführer er im Dezember 2013 bestellt wurde. Ein Geschäftsführerdienstvertrag wurde weder bei Bestellung noch in der Zeit danach geschlossen.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vom 15.01.2020, die dem Geschäftsführer am Vormittag des 16.01.2020 zugegangen ist. Die Kündigung hat der Insolvenzverwalter (Beklagter zu 1) gegenüber dem Kläger ausgesprochen, nachdem das Insolvenzverfahren am 15.01.2020 eröffnet wurde. Mit E-Mail vom 16.01.2020, 14:56 Uhr, damit nach Zugang der Kündigung, legte der Geschäftsführer sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung nieder.

Der Geschäftsführer stellt sich im Streit auf den Standpunkt, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sozial nicht gerechtfertigt sei, es habe zudem zum 28.01.2020 ein Betriebsübergang auf eine Erwerberin (Beklagte zu 2) stattgefunden und sein unwirksam gekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe deshalb seit dem Betriebsübergang mit der Erwerberin fort. Die Beklagten bestreiten das Vorliegen eines Betriebsübergangs.

Das Arbeitsgericht hat der Klage insgesamt stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 25.03.2022 – 16 Sa 522/21) hat diese hingegen abgewiesen, ließ dabei offen, ob ein Betriebsübergang vorlag, da es aus Sicht des Landesarbeitsgerichts hierauf nicht angekommen ist.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung zurückverwiesen. Es hat zunächst festgestellt, dass wenn ein Arbeitgeber und ein Geschäftsführer anstelle eines Dienstvertrages einen Arbeitsvertrag schließen, es für die rechtliche Einordnung ihrer Vertragsbeziehung allein auf die vertragliche Vereinbarung, nicht dagegen auf die tatsächliche Vertragsdurchführung ankommt, auch wenn ein GmbH-Geschäftsführer regelmäßig auf der Grundlage eines Dienstvertrages tätig wird. Die Bestellung zum Organ einer juristischen Person ist dabei ausschließlich ein sog. körperschaftlicher Rechtsakt und begründet kein schuldrechtliches Verhältnis zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft.

Die Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, nach der bei einem Organ der Gesellschaft die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses keiner sozialen Rechtfertigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedarf, kommt zur Anwendung, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer noch bestanden hat. Deshalb war die Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt.

Das BAG hat weiter entschieden, dass die Regelung in § 613a BGB zum Betriebsübergang Organmitglieder i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG schützt, die auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses tätig sind. Auch solche Arbeitsverhältnisse gehen damit grundsätzlich mit dem beim Betriebsveräußerer zuletzt innegehabten Inhalt der Beschäftigung und mit Tätigkeiten eines Geschäftsführers auf die Erwerberin über. Die Stellung als Organ von Vertretern juristischer Personen geht dagegen aufgrund eines Betriebsübergangs nicht über; aus § 613a BGB folgt auch kein Anspruch gegenüber einem Erwerber, zum Geschäftsführer bestellt zu werden.

Das Landesarbeitsgericht muss nach der Zurückweisung prüfen, ob ein Betriebsübergang stattgefunden hat, was zwischen den Parteien streitig war, und ob die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB unwirksam ist.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BAG ist wichtig und muss bei der Kündigung eines Vertragsverhältnisses mit einem Geschäftsführer beachtet werden.

Eine GmbH sollte sinnvollerweise bereits bei der Bestellung einer Person zum Organ, die bereits in einem Arbeitsverhältnis zu ihr steht, darauf achten, dass zugleich das Arbeitsverhältnis wirksam beendet wird und sich ab Bestellung die Rechte und Pflichten abschließend aus einem zu schließenden Dienstvertrag ergeben.

Das BAG hat nicht nur klargestellt, dass auch das Arbeitsverhältnis eines Geschäftsführers von einem Betriebsübergang erfasst werden kann, sondern dass in diesem Fall auch das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB zu beachten ist. Bei diesem handelt es sich um ein eingeständiges vom Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unabhängiges Kündigungsverbot, das vor Kündigungen schützen soll, bei denen der Beweggrund der Betriebsübergang ist.

Am Rande führt das BAG aus, dass der Arbeitnehmer nach Übergang des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch gegen den Erwerber auf Beschäftigung mit den Tätigkeiten hat, die er zuvor als Geschäftsführer aufgrund des Arbeitsvertrages ausgeübt hatte, wenn hierzu nicht z.B. im Arbeitsvertrag geregelt ist, dass mit dem Ende der Organstellung und nach Ablauf der Kündigungsfrist entweder die ursprüngliche oder eine im Einzelnen festgelegte anderweitige Tätigkeit zum Vertragsinhalt wird.

Das BAG hat schließlich auch noch angesprochen, dass für § 613a BGB der sog. nationale Arbeitnehmerbegriff gilt. Danach ist jede Person als Arbeitnehmer anzusehen, die aufgrund des mitgliedsstaatlichen Arbeitsrechts als ein solcher geschützt ist. Damit würden Geschäftsführer, die nur in einem Dienstverhältnis stehen, nicht von einem Betriebsübergang erfasst. Da im entschiedenen Fall ein Arbeitsverhältnis bestand, muss das Landesarbeitsgericht u.a. über das Vorliegen eines Betriebsübergangs noch entscheiden.

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