Bundesgerichtshof zur Erheblichkeit von Sachmängeln

Mit Urteil vom 28.05.2014, Az.: VIII ZR 94/13, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Sachmangel bereits dann erheblich sein und den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen kann, wenn die Mangelbeseitigungskosten (lediglich) 5% des Kaufpreises übersteigen. Bei Überschreiten dieses Prozentsatzes ist ein Mangel nur dann unerheblich und der Rücktritt deswegen ausgeschlossen, wenn besondere Umstände vorliegen.

Hintergrund

Der Käufer eines Neufahrzeugs machte beim Verkäufer, einem Autohaus, wiederholt verschiedene Mängel des Fahrzeugs geltend, unter anderem an der Einparkhilfe. Nach dem letzten Reparaturversuch behauptete das Autohaus, die Einparkhilfe funktioniere nun einwandfrei. Der Käufer erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und klagte auf Rückzahlung des Kaufpreises. Das erstinstanzliche Gericht holte ein Sachverständigengutachten ein, das die weiterhin bestehende Mangelhaftigkeit der Einparkhilfe bestätigte. Zudem stellte der Sachverständige fest, dass die Kosten für die Beseitigung dieses Mangels bei ca. 6,5% des Kaufpreises lagen.

Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises ab. Zur Begründung führten beide Gerichte aus, dass der Rücktritt ausgeschlossen sei, da die Mangelbeseitigungskosten unterhalb von 10% des Kaufpreises lägen und damit unerheblich seien.

Die Entscheidung

Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Im Wesentlichen war vom BGH dabei die Frage zu entscheiden, wann ein Mangel im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB unerheblich und der Rücktritt damit ausgeschlossen ist. Dem Käufer bleiben dann nur die übrigen Mängelansprüche (zunächst Nacherfüllung, dann ggfs. Kaufpreisminderung und/oder Schadensersatz).

Nach der nun ergangenen Entscheidung des BGH ist für die Beantwortung dieser Frage eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Ein erheblicher Mangel liege demnach in der Regel bereits dann vor, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5% des Kaufpreises überschreitet. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus sei mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von mehr als 5% des Kaufpreises könne in der Regel nicht mehr angenommen werden, dass das Leistungsinteresse des Käufers „im Grunde nicht gestört sei" und ihm ein Festhalten am Vertrag zuzumuten sei.

Die Erheblichkeitsschwelle von (lediglich) 5% des Kaufpreises stehe insbesondere auch im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Eine höhere Schwelle sei hingegen nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt. Der Rücktritt des Käufers sei daher rechtmäßig und der Kaufpreis (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) an ihn zurückzuzahlen.

Praxishinweise

Die nun vom BGH entschiedene Frage war bislang in der Literatur und bei den Instanzgerichten außerordentlich umstritten. Überwiegend abgelehnt wurde indes eine allzu starre Festlegung auf Prozentgrenzen. Auch der BGH hat nun mit seiner Formulierung „in der Regel" klar gemacht, dass es letztlich auf alle Umstände des Einzelfalles ankommt. Allerdings hat der BGH auch deutlich gemacht, dass die Erheblichkeitsschwelle - entgegen der Ansicht vieler Instanzgerichte - regelmäßig bereits bei 5% des Kaufpreises zu ziehen ist.

Für Verkäufer kann dieses Urteil erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zwar berechtigt auch ein erheblicher Mangel nicht unmittelbar zum Rücktritt. Zunächst einmal muss der Käufer eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung setzen oder die Mangelbeseitigung muss fehlgeschlagen sein, was in der Regel nach dem zweiten erfolglosen Versuch der Nachbesserung der Fall ist. Sollten diese Voraussetzungen allerdings erfüllt sein, ist die Möglichkeit des Rücktritts - anstelle einer Kaufpreisminderung - nun sehr viel früher eröffnet als bisher. Zudem wird der Verkäufer aufgrund des vom BGH aufgestellten Regel-Ausnahme-Verhältnisses darlegen und beweisen müssen, dass besondere Umstände vorliegen, die einen Rücktritt ausnahmsweise ausschließen.

Für Verkäufer ist dies in doppelter Hinsicht bitter: Zum einen setzt der Anspruch auf Rückabwicklung kein Verschulden des Verkäufers voraus. Der Käufer kann also auch dann zurücktreten, wenn der Verkäufer die Mangelhaftigkeit der Kaufsache nicht zu vertreten hat. Zudem bedeutet die Rückabwicklung des Vertrages, dass der Käufer den gesamten Kaufpreis zurück erhält, und hiervon lediglich eine Entschädigung für die Nutzung der Kaufsache abzuziehen ist. Diese Entschädigung deckt aber in aller Regel nicht den tatsächlich eingetretenen Wertverlust der Kaufsache.

Allerdings lässt die Entscheidung des BGH auch noch einige Fragen offen: So hat sich der BGH zu der strittigen Frage, ob für die Erheblichkeitsschwelle mehrere Mängel (bzw. deren Beseitigungskosten) zu addieren sind oder ob es alleine darauf ankommt, dass ein einzelner Mangel erheblich ist, nicht geäußert (und auch nicht äußern müssen). Zudem nimmt der BGH für seine Wertung ausdrücklich Bezug auf die EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht. Bislang kann lediglich spekuliert werden, ob aus diesem Grund bei Kaufverträgen zwischen Parteien, die keine Verbraucher sind, eine andere Erheblichkeitsschwelle gelten soll.

Dr. Frank Jungfleisch
Sebastian Hoegl, LL.M. (Wellington)

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