 | vor mehr als 200 Jahren schrieb der berühmte französische Publizist und Politiker Alexis de Tocqueville: „Es gibt kaum eine politische Frage in den Vereinigten Staaten, die nicht früher oder später zu einer gerichtlichen Frage wird.“ Vor diesem Hintergrund hat die Ernennung von Amy Coney Barrett als Richterin am Supreme Court Anfang der Woche eine besondere Relevanz. Sie ist Nachfolgerin der am 18. September 2020 verstorbenen Ruth Bader Ginsburg und die dritte Richterin, die von Donald Trump nominiert wurde – nach Neil Gorsuch (2017) und Brett Kavanaugh (2018). Barack Obama kam in zwei Amtszeiten nur auf zwei Richter(innen). Die Neubesetzung erfolgte acht Tage vor der Präsidentschafts-Wahl und vor Wahlen zum US-Senat, in dem die Republikaner nach aktuellen Umfragen ihre Mehrheit verlieren werden.
Die Richter am Supreme Court werden vom US-Präsidenten nominiert und mit Zustimmung des Senats in ihr Amt berufen. Sie werden auf Lebenszeit gewählt; eine Altersgrenze gibt es nicht. Jeder Präsident wartet folglich sehnsüchtig darauf, dass endlich ein Richter stirbt, damit er den Supreme Court mit einem möglichst jungen „Gesinnungsfreund“ bestücken und auf diese Weise die Rechtspolitik der nächsten Jahrzehnte bestimmen kann. Die als erzkonservativ geltende Amy Coney Barrett ist erst 48 Jahre alt; ihre liberale Vorgängerin „RBG“ dreht sich im Grab.
Der Supreme Court ist zuständig für die Überprüfung von Executive Orders der US-Präsidenten und von Gesetzen darauf, ob sie gegen die Verfassung verstoßen. Er befasst sich mit rund 100 - 150 Fällen pro Jahr – von etwa 7.000 Fällen, die an ihn herangetragen werden. Die Entscheidungen des Supreme Court sind von erheblicher politischer und gesellschaftlicher Relevanz. Sie betrafen beispielsweise das Recht auf Schwangerschaftsabbruch (1973), die Zulässigkeit der Todesstrafe (1976), das Grundrecht auf den Besitz von Feuerwaffen (2008), das Recht von Unternehmen, politische Kandidaten unbegrenzt finanziell zu unterstützen (2010), die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Ehen (2013 und 2015) und den Schutz von illegal als Kindern eingereisten „Dreamern“ vor Abschiebung (2020). Vor allem die letzte Entscheidung, die mit einer knappen Mehrheit von fünf der neun Richter gefallen ist, brachte Donald Trump in Wallung. Künftig könnte der Supreme Court in solchen Fällen anders entscheiden: Mit der Bestellung von Amy Coney Barrett sind sechs von neun Richtern des höchsten US-Gerichts dem republikanischen Lager zuzuordnen. Und das auf längere Sicht.
Das politische Gewicht ließe sich nur durch eine Erweiterung des Supreme Court verschieben. Die Zahl der Richter ist nämlich nicht festgeschrieben; der Supreme Court wurde 1789 mit sechs Richtern gegründet. 1801 wurde die Zahl auf fünf Richter verringert, 1837 auf sieben erhöht, seit 1869 liegt die Zahl der Richter bei neun. Der Congress hat jederzeit die Möglichkeit, die Zahl zu ändern. Würde die Zahl der Richter – mit einer Mehrheit der Demokraten – um vier auf 13 erhöht, könnten sich die sechs „stramm Rechten“ nicht mehr durchsetzen. Joe Biden kündigte in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS letzte Woche an, im Falle seines Wahlsiegs eine nationale Kommission aus Wissenschaftlern und Politiken aller Couleurs zusammenzustellen mit dem Auftrag, Empfehlungen zur Reform des Gerichtssystems auszuarbeiten. Ob dazu auch ein „court packing“, also die Vergrößerung des US Supreme Courts, gehört, wird sich in den nächsten Monaten zeigen – falls Joe Biden die Wahl gewinnt.
Es bleibt spannend in den nächsten Tagen. Und das Ergebnis der US-Wahlen wird die ganze Welt erheblich beeinflussen. So oder so.
Wir wünschen Ihnen und uns allen das Allerbeste. Vor allem: Bleiben Sie gesund.
Ihre
Sozietät Friedrich Graf von Westphalen & Partner
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Gesellschaftsrecht: Beschwerde gegen Zurückweisung einer Handelsregisteranmeldung
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Eine GmbH ist aufgelöst, wenn die Gesellschafter das beschließen oder wenn andere, gesetzlich geregelte Gründe vorliegen. Zusätzlich können im Gesellschaftsvertrag weitere Auflösungsgründe vorgesehen werden. Solche Regelungen sind allerdings nur wirksam, wenn die Gründe ausreichend bestimmt sind. Dazu gibt es eine neue Entscheidung des OLG Düsseldorf. mehr >
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Es gibt ein breites Spektrum an Methoden für eine Unternehmensbewertung. Bei vermögensverwaltenden Gesellschaften kommt insbesondere das so genannte Netto-Substanzwertverfahren (Net-Asset-Value-Verfahren) in Betracht. mehr >
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