
BGH-Urteil zum Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen
Über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Birkenstock-Sandalen" (Urteil vom 20.02.2025, Az. I ZR 16/24) hat die Tagespresse bereits berichtet. So schrieb die F.A.Z. am 20.02.2025: "'Birkenstock-Sandalen sind keine Kunstwerke und genießen daher keinen Urheberschutz', entschieden die höchsten deutschen Zivilrichter." Viele andere Zeitungen schrieben ähnlich pauschal.
Diese plakative Aussage ist jedoch nicht zutreffend. Es ist wichtig zu verstehen, dass der BGH keine eigene Prüfung und Bewertung vorgenommen hat, ob die Birkenstock-Sandalen "Madrid" und "Arizona" die Voraussetzungen für einen urheberrechtlichen Schutz als Werke der angewandten Kunst erfüllen. Vielmehr ist der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz darauf beschränkt zu prüfen, ob das Berufungsgericht – hier das Oberlandesgericht Köln – bei seiner Entscheidung von den richtigen Rechtsgrundsätzen ("Obersätzen") ausgegangen ist und die Verfahrensvorschriften eingehalten hat.
In dem Verfahren war Birkenstock gegen einen Wettbewerber vorgegangen, der verschiedene Sandalen-Modelle von Birkenstock nahezu identisch nachgeahmt hatte. Birkenstock berief sich dabei auf das Urheberrecht und vertrat die Auffassung, dass diese von Karl Birkenstock entworfenen Modelle als Werke der angewandten Kunst geschützt seien. Die Verwertungsrechte an diesem Urheberrecht würden durch die nahezu identischen Kopien verletzt. Das Landgericht Köln gab Birkenstock Recht. Das Oberlandesgericht Köln gab jedoch der Berufung der Beklagten statt und verneinte das Bestehen eines Urheberrechtsschutzes an den Sandalenmodellen.
Das Oberlandesgericht schrieb dazu: "Dass sich die Sandalen [von Birkenstock] in künstlerischer Hinsicht von den gewöhnlichen Gestaltungen der schon damals bekannten Gesundheitssandalen abheben, ist auf der Grundlage des tatsächlichen Vorbringens der Klägerin nicht feststellbar." Im Einzelnen ging es vor allem um die Frage, inwieweit bei einzelnen Merkmalen überhaupt ein künstlerischer Gestaltungsspielraum besteht oder inwieweit die Merkmale technisch bedingt sind und daher nicht künstlerisch sein können.
Weitere Streitpunkte waren, (a) ob es für die Frage der künstlerischen Leistung auch auf die subjektive Sicht des Werkschöpfers Karl Birkenstock im Schaffensprozess ankommen kann und (b) ob auch nachträglich eingetretene Umstände, wie z.B. die Aufnahme der Birkenstock-Sandalen in bekannte Designsammlungen, für die Bejahung des Urheberrechtsschutzes von Bedeutung sind. Das Oberlandesgericht hat diese Fragen offen gelassen, weil es den Vortrag von Birkenstock zur subjektiven Sichtweise von Karl Birkenstock und zur Aufnahme der Sandalen in Designsammlungen jedenfalls nicht für ausreichend erachtet hat.
Der BGH hat diese Wertungen des OLG Köln nunmehr lediglich auf Rechtsfehler überprüft und ist in der jetzt veröffentlichten Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Oberlandesgericht kein Rechtsfehler vorzuwerfen ist. Dabei wiederholt der BGH seine bisherige Rechtsprechung, wonach Voraussetzung für den Urheberrechtsschutz "eine Schöpfung individueller Prägung [ist], deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann.".
Diese Formel stößt vielfach auf Bedenken, da sie mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der sich seit einigen Jahren – wenn auch zögerlich – um eine EU-weite Harmonisierung der Schutzschwelle für den Urheberrechtsschutz bemüht, nur schwer in Einklang zu bringen ist. In der neuen Birkenstock-Entscheidung wischt der BGH diese Bedenken als "historisch bedingte Unterschiede in den Begrifflichkeiten" beiseite.
Bemerkenswert ist aber vor allem der Zeitpunkt dieser BGH-Entscheidung. So sind derzeit beim EuGH zwei Vorabentscheidungsverfahren (Mio und USM Haller) anhängig, in denen es um eben jene Frage geht, welche Kriterien bei der Prüfung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit insbesondere von Werken der angewandten Kunst (wie z.B. Schuhe oder Möbel) anzulegen sind. Die Urteile des EuGH werden in den nächsten Monaten erwartet. Unklar bleibt, warum der BGH mit der Birkenstock-Entscheidung nicht gewartet hat, bis der EuGH die zu erwartende weitreichende Klärung herbeigeführt hat.
Jedenfalls bleibt es spannend, denn es ist nicht auszuschließen, dass einige der Kernaussagen dieses deutschen Birkenstock-Urteils durch die anstehenden EuGH-Entscheidungen Makulatur werden.
5. März 2025