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Update Lebensmittelrecht – Urteil des BVerwG: Nicht verzehrbare Wursthüllen und Wurstclips sind als Tara abzuziehen

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 06.05.2025 (Az. 8 C 4.24) entschieden, dass nicht verzehrbare Wursthüllen und Wurstclips bei der Bestimmung der Füllmenge nicht berücksichtigt werden dürfen. Damit findet der jahrelange Rechtsstreit um eine Mittelwertunterschreitung der Nennfüllmenge (130g) von 2,3g bzw. 2,6g bei einer vorverpackten Leberwurst sein Ende. Nur das reine, essbare Wurstbrät zählt zur Nettofüllmenge des Lebensmittels.

Sachverhalt

Nachdem durch die Eichbehörden das Inverkehrbringen von Fertigpackungen mit Wurstwaren untersagt wurde, bei denen die Wursthüllen und Wurstclips nicht austariert, sondern der Nettofüllmenge hinzugerechnet werden, klagte das Unternehmen hiergegen. Es ging um eine Leberwurst, die jeweils mit zwei Wurstclips abgebunden und von einer nicht essbaren Wursthülle umschlossen war.

Das Verwaltungsgericht Münster hatte die Klage abgewiesen (siehe dazu bereits den Beitrag vom 22.05.2023). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hatte der Berufung der Klägerin stattgegeben. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte nun in der noch nicht veröffentlichten Entscheidung, dass die Behörde das Inverkehrbringen der betroffenen Wurstprodukte untersagen durfte.

Entscheidung

Anders als das OVG Münster entschied das BVerwG, dass die ältere Fertigpackungsrichtlinie nach Geltung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) nicht mehr maßgeblich sei. Das Mess- und Eichgesetz verweise in Verbindung mit speziellen Vorschriften der Fertigpackungsverordnung für vorverpackte Lebensmittel auf die LMIV. Danach sei für vorverpackte Lebensmittel die Nettofüllmenge des Lebensmittels anzugeben (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. e), Art. 23 LMIV). Dazu gehöre in Bezug auf die beanstandeten Fertigwurstwaren lediglich das Wurstbrät, während die nicht verzehrbare Hülle und die Clipse zur Verpackung gehören.

Fazit

Solange die Entscheidung nicht veröffentlicht ist, lassen sich hieraus noch keine abschließenden Schlüsse ziehen. Die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster wurde in dogmatischer Hinsicht vor allem wegen der Auslegung des in der Basisverordnung (EG) Nr. 178/2002 definierten Begriffs des Lebensmittels, der nach h. M. weit auszulegen ist, kritisiert. Das Verwaltungsgericht habe eine künstliche Aufspaltung von Bestandteilen in essbar/nicht essbar vorgenommen, die nach der Verkehrsanschauung eine natürliche Einheit mit dem Lebensmittel bilden. Insofern wies das OVG Münster in seinem Urteil auch auf die Folgen einer Verengung des Erzeugnisbegriffs auf den verzehrbaren Inhalt einer Umhüllung ohne Berücksichtigung der Handelsbräuche hin. Für landwirtschaftliche Kleinbetriebe und für den Verkauf von solchen Würsten an der Fleischtheke, die erst zu diesem Zeitpunkt gewogen werden, entstünden erhebliche Praxisprobleme bei der Austarierung. Es bleibt zu hoffen, dass das Urteil des BVerwG hier Klarheit bringt. Dies gilt auch für die in diesem Zusammenhang oft erwähnte Käserinde.

Fakt ist, dass die Entscheidung ein so großes Medienecho erzeugt hat, dass Hersteller der von der Entscheidung betroffenen Warengruppe umgehend handeln müssen, wenn sie sich nicht einem Vorsatzvorwurf ausgesetzt sehen wollen.

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