

Der „neue“ Art. 10a MDR
Seit dem 10. Januar 2025 ist der neue Artikel 10a der Medizinprodukteverordnung (EU) 2017/745 (MDR) in Kraft. Die Regelung zieht umfassende Informationspflichten für sämtliche Wirtschaftsakteure der MedTech-Branche nach sich. Ziel der Regelung ist es, potenzielle Versorgungsengpässe von bestimmten Medizinprodukten frühzeitig zu erkennen und somit schwerwiegende Auswirkungen auf Patienten und die öffentliche Gesundheit zu vermeiden.
Zu den wesentlichen Eckpunkten:
Im Falle eines erwarteten Lieferengpasses müssen Hersteller von Medizinprodukten prüfen, ob sie den Informationspflichten des Art. 10a MDR unterliegen. Diese greifen, wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
(1) Der Hersteller kommt im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung zu dem Schluss, dass in Bezug auf ein bestimmtes Produkt oder eine Produktgruppe eine erhebliche Unterbrechung oder eine Beendigung der Lieferung zu erwarten ist. In der Praxis wird derzeit davon ausgegangen, dass ein Lieferengpass ab einer Nichtverfügbarkeit des Produkts von mehr als 60 Tagen erheblich ist.
(2) Die Prüfung des Herstellers ergibt zudem, dass keine Alternativprodukte oder Alternativtherapien für das „auslaufende“ Produkt auf dem europäischen Markt zur Verfügung stehen.
(3) Die Prognose des Herstellers zeigt, dass der Lieferengpass einen schwerwiegenden Schaden für Patienten oder die öffentliche Gesundheit in mindestens einem der Mitgliedstaaten der EU zur Folge haben könnte. Wann ein solch „schwerwiegender Schaden“ angenommen werden muss, wird in der MDR nicht näher definiert. Insofern bietet die amerikanische Critical Medical Device List (CMDL) eine erste Orientierungshilfe, ist aber auch sicherlich nicht abschließend.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, müssen Hersteller die nationalen Gesundheitsbehörden, Wirtschaftsakteure (bspw. Importeure und Händler) sowie Kunden (Gesundheitseinrichtungen etc.) informieren. Diese Information muss mindestens sechs Monate vor Eintritt des erwarteten Lieferengpasses erfolgen. Wie weit der Kreis der zu informierenden Personen genau reicht, ist in Art. 10a MDR nicht näher präzisiert. Ob der Hersteller daher bspw. nur die eigenen Kunden oder sämtliche, potentiellen Kunden/Gesundheitseinrichtungen informieren muss, bleibt offen. Erste Ausführungen und Diskussionen zeigen eine Tendenz dahingehend, dass wohl die Information gegenüber den eigenen Kunden genügen soll.
Werden Wirtschaftsakteure vor diesem Hintergrund von Herstellern benachrichtigt, sind sie wiederum zur Weiterleitung der Information an ihre Kunden verpflichtet.
Was bedeutet diese Neuregelung für Hersteller von Medizinprodukten?
Um den umfassenden Prüfungs- und Informationspflichten gerecht zu werden, sollten Hersteller von potentiell kritischen Produkten u.a. folgende Punkte im Blick behalten:
- Verankerung der Prüfungs- und Informationspflichten in internen Prozessen
- Stetige Überwachung der Produktion/Produktionsplanung von kritischen Produkten (bspw. mögliche Auslöser für erhebliche Lieferengpässe überwachen/Lieferkette im Blick behalten)
- Verdeutlichung der Informationspflichten der Händler in Vertriebsverträgen (Weiterleitung der Herstellerinformationen)
Für Rückfragen stehen Dr. Meike Kapp-Schwoerer und Francesca Pisacane gerne zur Verfügung.
24. März 2025