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Instagram: Kein Unterlassungsanspruch beim „Teilen“ fremder Inhalte

Das Amtsgericht Hagen hatte sich im Rahmen eines Konflikts innerhalb der deutschen Radsport-Szene mit der durchaus brisanten Frage zu befassen, ob das „Teilen“ eines von einer fremden Person auf der Plattform Instagram geposteten Videobeitrags dem „Teilenden“ als eigene rufschädigende Äußerung zugerechnet werden kann.

Sachverhalt

Dem Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 01.04.2025, Az. 19 C 444/24 liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH, die im deutschen Radsport Lizenzen für die Teilnahme an Radrennen vergibt und die Erstellung von Startlisten bei nationalen Radrennen als Dienstleistung anbietet. Der von FGvW vertretene Beklagte teilte im September 2024 im Wege eines „Repostings“ ein von einem Dritten stammendes Video auf der Plattform Instagram. Dieser Nutzer äußerte sich in dem Video kritisch über den Ablauf eines von der Klägerin organisierten Anmeldeprozesses zu einem Radrennen.

Die Klägerin meinte, die in dem Video aufgestellten Behauptungen seien nachweislich falsch, weshalb sie das „Teilen“ des Videos durch den Beklagten zum Anlass nahm, um ihn im Wege einer Abmahnung auf Unterlassung sowie Erstattung der hierfür angefallenen Anwaltskosten in Anspruch zu nehmen.

Der Beklagte weigerte sich, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Bezeichnenderweise ließ die Klägerin dies auf sich beruhen und verfolgte auch den Ersteller des Videos nicht weiter. Sie begehrte ausschließlich die Erstattung der Abmahnkosten vom Beklagten, der das Video lediglich geteilt hatte.

Der Beklagte wies diesen Anspruch zurück, da das von ihm geteilte Video keine rechtswidrigen Äußerungen enthalte und das bloße „Teilen“ eines von einem Dritten stammenden Beitrags in den sozialen Medien keine Zueignung der fremden Äußerung darstelle.

Entscheidungsgründe

Die Klage hatte keinen Erfolg: Das Amtsgericht Hagen urteilte, dass der Beklagte selbst keine rufschädigende Äußerung in Bezug auf die Klägerin vorgenommen habe, indem er das Video eines Dritten als „Reposting“ auf Instagram teilte, und sich die Aussagen des Videos auch nicht zu eigen gemacht habe. Daher stehe der Klägerin weder ein Unterlassungsanspruch noch ein Anspruch auf die hieran anknüpfenden Abmahnkosten zu.

Bei der Funktion „Teilen“ handle es sich lediglich um eine Möglichkeit, auf Inhalte anderer Nutzer hinzuweisen. Eine darüber hinausgehende Bedeutung sei dieser Funktion nicht zuzumessen. Damit mache sich der Teilende die Inhalte des Dritten auch nicht zu eigen, weil dies voraussetze, dass sich der Verbreiter des Inhalts mit den Aussagen in einer Weise identifiziere, dass er sie als eigene in seinen Gedankengang eingefügt habe. Dies sei beim bloßen Teilen regelmäßig – und auch hier – nicht ersichtlich.

Es sei im Übrigen eine lebensfremde Unterstellung, dass sich der „Teilende“ bei einem durch einen einfachen Klick sekundenschnell möglichen „Reposting“ eines Videos mit vielschichtigen Aussagen zuvor mit jeder Aussage so intensiv beschäftigt hat, dass man ihn mit dem Verfasser gleichsetzen könne. Dies würde zudem zu einer nicht gerechtfertigten Ausuferung der Haftung des „Teilenden“ führen und damit zugleich die Nutzung von Internetplattformen wie Facebook und Instagram über Gebühr mit drohenden Unterlassungsansprüchen belasten.

Das Amtsgericht Hagen hat die Berufung nicht zugelassen.

Praxishinweis

Die Ausführungen des Amtsgerichts Hagen erscheinen praxisgerecht und zustimmungswürdig: Offenkundig kennt sich der zuständige Richter selbst mit Social-Media-Plattformen aus und kann deren Funktionen zutreffend einordnen.

Die Rechtsprechung zum Umgang mit dem „Teilen“ fremder Inhalte in den sozialen Medien und der Frage nach einer daran anknüpfenden Haftung sind noch recht dünn. Daher stellt die vorliegende Entscheidung einen begrüßenswerten Schritt in die richtige Richtung dar, der auch inhaltlich zu überzeugen vermag. Die gegenteilige Auffassung, die eine Haftung für fremde Inhalte durch ein einfaches „Reposting“ bejaht, würde nämlich nüchtern betrachtet das Ende der sozialen Medien bzw. jedenfalls einer freien und ungezwungenen Interaktion auf diesen Plattformen einläuten. Denn wer würde dann noch Inhalte in den sozialen Medien „Teilen“, geschweige denn „Liken“, wenn er damit riskiert, mit einem Bein in der Haftung zu stehen?

Aus eben diesen Überlegungen scheint daher ein vorsichtig optimistischer Blick in die Zukunft erlaubt, dass sich die Rechtsprechung auch künftig in diese Richtung weiter fortbewegen und eine Haftung für fremde Inhalte ablehnen bzw. jedenfalls auf Sonderkonstellationen beschränken wird.

Gleichwohl sollten soziale Medien – als Informationsquelle und mittlerweile wichtiges Instrument der Meinungsbildung – verantwortungsvoll und mit einem gewissen Maß an Achtsamkeit genutzt werden. Es schadet daher nicht, sich vorab selbst kritisch zu fragen, was für einen Inhalt man vor sich hat und was man mit der jeweiligen Handlung, wie beispielsweise dem Teilen, eigentlich bezwecken möchte. Auch wenn klar sein sollte, dass der Teilende die Aussagen Dritter auf diese Weise nicht als eigene übernimmt, kommt grundsätzlich eine Haftung wegen Beihilfe in Betracht. Diese setzt allerdings Vorsatz voraus: Wer also mit Wissen und Wollen falsche Behauptungen weiterverbreitet, dem drohen auch weiterhin – zu Recht – Unterlassungs- und auch Schadensersatzansprüche.

Dies legt einerseits die Hürden für eine Haftung in angemessener Weise recht hoch. Andererseits zeigt dies auch, dass Social-Media-Plattformen gerade keine rechtsfreien Räume bieten. 

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