
Geschäftsführerhaftung für Kartellbußgelder und Aufklärungskosten
Verletzen Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder ihre organschaftlichen Pflichten, sind sie dem von ihnen vertretenen Unternehmen nach § 43 Abs. 2 GmbHG oder § 93 Abs. 2 S. 1 AktG zum Schadenersatz verpflichtet. Ob das auch dann gilt, wenn der Schaden darin besteht, dass gegen das Unternehmen eine Kartellbuße verhängt wird oder eine solche Buße jedenfalls ernsthaft droht, ist allerdings umstritten. Die Frage, ob eine solche Schadenersatzpflicht bei Kartellbußen vielleicht sogar gegen das Europarecht verstieße, hat der BGH nun dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 11.02.2025, KZR 74/23, noch unveröffentlicht).
Sachverhalt
Hintergrund des Verfahrens war ein Preiskartell in der Stahlindustrie. Aufgrund des festgestellten Kartells hatte das Bundeskartellamt gegen eine beteiligte GmbH ein Bußgeld in Höhe von EUR 4,1 Mio. und gegen den Geschäftsführer persönlich in Höhe von EUR 126.000 verhängt. Dies entspricht der Systematik des Kartellrechts, nach der Bußgelder gegen die Handelnden persönlich stets sehr deutlich unter den potenziell verhängten Unternehmensgeldbußen liegen.
Die GmbH argumentierte nun, dass es sich bei der Teilnahme an dem Preiskartell um eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers gehandelt habe. Daher verlangte sie von ihm Ersatz sowohl des verhängten Bußgelds als auch der IT- und Anwaltskosten, die im Laufe des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für die Rechtsverteidigung der GmbH entstanden waren.
Entscheidungsgründe
Das LG und OLG Düsseldorf hatten die Klage abgewiesen. Sie argumentierten mit einer weitverbreiteten Ansicht in der Literatur, dass es dem Sinn der Kartellbußgelder widerspräche, wenn das Unternehmen sich insoweit an dem handelnden Organmitglied schadlos halten könnte. Die abgestufte Höhe der Bußgelder gegenüber Unternehmen und persönlich Handelndem zeige, dass gerade nicht das Organ persönlich getroffen werden solle. Auch werde der Abschreckungseffekt der Unternehmensgeldbuße deutlich gemindert, wenn die Gesellschaft die Bußgeldlast auf einen Dritten abwälzen könne; dies erst recht, wenn – wie häufig – der Geschäftsführer eine Managerhaftpflichtversicherung unterhält und daher letztlich eine Versicherung einstandspflichtig sein kann.
Der BGH hat die eigene Ansicht zu dieser Frage zunächst offengelassen und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Regress des Unternehmens in einer solchen Konstellation europarechtswidrig wäre. Der EuGH hatte bereits betont, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Geldbußen gegen Unternehmen verhängen können, wenn diese vorsätzlich oder fahrlässig gegen das Kartellverbot in Art. 101 AEUV verstoßen. Bereits die steuerliche Absetzbarkeit einer Geldbuße sei geeignet, den abschreckenden Effekt erheblich herabzusetzen. Vor diesem Hintergrund legt der BGH dem EuGH die Frage vor, ob auch die Regressmöglichkeit geeignet ist, den abschreckenden Effekt zu mindern. Bejaht der EuGH dies, könnte schon aus europarechtlichen Gründen eine Auslegung der deutschen Haftungsregeln in § 43 Abs. 2 GmbHG und § 93 Abs. 2 S. 1 AktG dergestalt zwingend sein, dass ein Regress für kartellrechtliche Geldbußen und damit zusammenhängende Aufklärungs- und Rechtsverteidigungskosten nicht zulässig ist.
Praxishinweis
Bußgelder, Aufklärungs- und Rechtsverteidigungskosten in Kartellverfahren erreichen oft hohe Beträge. Von der Entscheidung des EuGH wird es abhängen, ob diese von den Unternehmen oder den handelnden Geschäftsführern getragen werden müssen. Diese Entscheidung des EuGH werden daher nicht nur die betroffenen Unternehmen, sondern auch Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder und deren D&O-Versicherer mit Spannung erwarten.
25. März 2025