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GmbH-Recht: Abberufung des Geschäftsführers durch die (unzuständige) Gesellschafterversammlung

Im Regelfall werden Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung bestellt und abberufen. Die Satzung kann davon abweichen und Kompetenzen auf andere Gesellschaftsorgane übertragen. Was gilt, wenn die Gesellschafter sich in einem solchen Fall die Kompetenz „zurückholen“ wollen, hat nun der BGH entschieden.

Sachverhalt

In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Abberufung des Geschäftsführers einer im Profifußball aktiven GmbH aus Norddeutschland.

Über die Abberufung hatte der Alleingesellschafter (der zugehörige Fußballverein) einen notariell beurkundeten Beschluss gefasst. Nach der Satzung wäre für die Abberufung jedoch der Aufsichtsrat der Gesellschaft zuständig gewesen. Die Aufsichtsratsmitglieder hatten die Abberufung jedoch abgelehnt.

Der Geschäftsführer klagte deswegen gegen seine Abberufung sowohl in der Hauptsache als auch im einstweiligen Rechtsschutz. Er war damit in den ersten Instanzen auch erfolgreich. Die Gerichte hielten den Beschluss für nichtig. Sie begründeten das damit, dass der Abberufungsbeschluss die Satzungsregelungen zur Abberufung von Geschäftsführern dauerhaft durchbreche und deswegen ohne eine förmliche Satzungsänderung unwirksam sei. Eine solche Satzungsänderung wäre jedoch aufgrund einer zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Stimmbindungsvereinbarung ebenfalls nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats möglich gewesen.

Das Urteil des BGH vom 16. Juli 2024 (Az. II ZR 71/23)

Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und wies die Klage des Geschäftsführers ab.

Er stellte fest: Der Abberufungsbeschluss umgehe zwar die in der Gesellschaftervereinbarung vereinbarte Kompetenzabgrenzung (Abberufung von Geschäftsführern nur durch den Aufsichtsrat); er sei deswegen aber nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Die Missachtung von nicht gesetzlich vorgeschriebenen Kompetenzverteilungen – hier: der freiwilligen Übertragung der Abberufungskompetenz auf den Aufsichtsrat – sei kein so gravierender Eingriff in die wesentlichen Grundgedanken des GmbH-Rechts, dass dies die Nichtigkeit der Beschlüsse rechtfertige. Zur Anfechtung des Beschlusses sei der Geschäftsführer jedoch nicht befugt; die Klagebefugnis stünde (nur) den Gesellschaftern zu.

Zugleich wies der BGH darauf hin, dass die Abberufung eines Geschäftsführers eine rein punktuelle (also keine zustandsbegründende) Satzungsänderung sei. Die Beendigung des Organverhältnisses des Geschäftsführers sei kein satzungswidriger Zustand – sie wäre auch eingetreten, wenn der Geschäftsführer sein Amt in Übereinstimmung mit der Satzung verloren hätte. Aus diesem Grund habe man somit die Formvorschriften für eine Satzungsänderung (Beurkundung, Anmeldung zum Handelsregister usw.) nicht einhalten müssen.

Praxisanmerkung

Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Organ einer GmbH. Deswegen ist sie nach dem gesetzlichen Leitmodell im Regelfall für alle Entscheidungen in der GmbH zuständig bzw. kann sie die Entscheidung über nahezu jede Maßnahme durch Beschluss an sich ziehen. Es verwundert deswegen nicht, dass sie grundsätzlich immer für die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern zuständig ist (von Sonderfällen wie der gesetzlich mitbestimmten GmbH einmal abgesehen).

Die Satzung kann von der gesetzlichen Kompetenzregelung abweichen und Aufgaben und Befugnisse auf andere Gesellschaftsorganen (z.B. Aufsichtsräte, Beiräte oder Ausschüsse) übertragen. So war es auch in dem vom BGH entschiedenen Fall; vor Änderungen schützten sich die Beteiligten dort auch über die ergänzende Gesellschaftervereinbarung. Wegen der teils erheblichen Bedeutung, die sich daraus für die praktische Handhabung ergeben, sollten solche Satzungsregelungen aber sorgfältig, klar und für die Gesellschaft passend gestaltet sein.

Werden die Regelungen durch die Gesellschafterversammlung trotzdem umgangen, besteht mit dem BGH eine gewisse Chance „damit durchzukommen“ – jedenfalls, wenn kein Gesellschafter klagt. Auch in diesen Fällen kommt es aber immer auf den Einzelfall an: Welche Kompetenz soll übergangen werden, wo ist sie geregelt und wie dauerhaft ist die damit erzielte Satzungsdurchbrechung? Denn nur, weil im Fall des BGH der Abberufungsbeschluss im Ergebnis wirksam war, gilt das nicht grundsätzlich und für jede andere Gesellschaft auch. Ungeachtet dessen versteht sich von selbst: Selbst, wenn Beschlüsse nicht zwingend unwirksam sind, sind Verstöße gegen die Satzung oder ergänzende Gesellschaftervereinbarungen keineswegs erlaubt. Wer Schadensersatzansprüche oder vergleichbare Sanktionen vermeiden will, sollte sich an die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung deswegen von vornherein halten.

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