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Keine Anwachsung bei Ausscheiden des vorletzten GbR-Gesellschafters im Falle einer anderslautenden Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag

Setzt der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) für deren Fortführung den Verbleib von mindestens zwei Gesellschaftern voraus, wird beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters der letzte Gesellschafter nicht Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft.

Sachverhalt

Der Entscheidung des BGH liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Eine Rechtsanwaltsgesellschaft bestehend aus zwei Gesellschaftern war in der Rechtsform der GbR konzipiert. Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters enthielt der Gesellschaftsvertrag folgende Regelung:

„§ 18. Fortführung der Sozietät; Abfindung

(1) Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters wird die Sozietät durch die anderen Gesellschafter fortgeführt, soweit mindestens zwei Gesellschafter verbleiben. Auch im Falle der Kündigung der Sozietät durch einen Gesellschafter können die übrigen Gesellschafter beschließen, die Sozietät fortzuführen. Der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters wächst den übrigen Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligung zu.“

Einer der Gesellschafter kündigte die Gesellschaft zum 31. Dezember 2017. Zudem widerrief er gegenüber der Bank die Alleinverfügungsberechtigung für die Sozietätskonten.

Nach Ansicht des Instanzgerichts war die Bank verpflichtet, die Gesellschaftskonten auf den nichtkündigenden Gesellschafter als Gesamtrechtsnachfolger umzuschreiben. Das Gericht stützte diese Einschätzung auf § 18 (1) Satz 3 Gesellschaftsvertrag. Dieser enthalte nach Ansicht des Gerichts keine Einschränkung, dass die Anwachsung des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters nicht stattfinde, wenn nur ein Gesellschafter übrigbleibt.

Die Entscheidung des BGH vom 29.10.2024 – II ZR 222/21

Der BGH hob die Entscheidung des Gerichts auf. Nach Ansicht des BGH sei bei der Auslegung der Fortführungsregelung (§ 18 Gesellschaftsvertrag, s.o.) die gesamte Regelung und deren systematischer Zusammenhang zu beurteilen. Die allein auf § 18 (1) Satz 3 gestützte Auslegung verstieße gegen die allgemein anerkannte Auslegungsregeln.

Der Entscheidung des BGH lag eine Differenzierung der Fälle des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters zugrunde:

  • Grundsätzlich wachse bei einer Vereinbarung der Fortsetzung beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters dem verbliebenen Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen, d.h. alle Aktiva und Passiva, an (Gesamtrechtsnachfolge). Eines besonderen Übertragungsakts an den letzten Gesellschafter bedarf es nicht.
  • Besonderheit im entschiedenen Fall durch Gesellschaftsvertrag („2 Gesellschafter“): Nach Ansicht des BGH sehe die vorliegende Regelung des Gesellschaftsvertrags eine Fortsetzung bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters gerade nicht vor. § 18 Satz 1 und 2 Gesellschaftsvertrag erfordere, dass „mindestens zwei Gesellschafter verbleiben“. Die in Satz 3 geregelte Anwachsung des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters stehe daher unter der Voraussetzung, dass auch nach dem Ausscheiden die gesellschaftsvertraglich vorgesehenen 2 Personen als Gesellschafter vorhanden sind.

Praxishinweise

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist das Grundmodell aller Personengesellschaften. Auch nach der Reform zum 01.01.2024 ist die Gründung weiterhin ohne größere rechtliche Hürden möglich: Mindestens zwei Personen schließen sich mit dem gemeinsamen Willen zur Förderung eines gemeinsamen Zweckes zusammen. Nahezu jeder Zweck ist denkbar – der Zusammenschluss von Freiberuflern, ein Kleinbetrieb, private Projekte oder auch die Verwaltung von Vermögen (z.B. Immobilien).

Die Gründung einer GbR ist ohne schriftlichen Gesellschaftsvertrag möglich. Dennoch empfiehlt es sich, die Kernbereiche der gemeinsamen Zweckverfolgung schriftlich zu regeln. Insbesondere Regelungen zur Geschäftsführung und Vertretung, der Gewinn- und Verlustbeteiligung, Entnahmerechten, der Möglichkeit/Beschränkung der Verfügung über die Anteile und Regelungen für den Fall des Ausscheidens von Gesellschaftern sind zweckmäßig. Durch die Formulierung interessengerechter und klarer Regelungen im Gesellschaftsvertrag können spätere Konflikte und eine gerichtliche Auseinandersetzung vermieden werden.

In seiner Entscheidung setzte sich der BGH mit der Auslegung einer solchen gesellschaftsvertraglichen Fortführungsklausel auseinander. Eine solche soll verhindern, dass die Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters aufgelöst und liquidiert wird. Gründe für ein Ausscheiden sind etwa der Tod oder die Insolvenz eines Gesellschafters oder schlicht seine Kündigung. Mit der Reform zum 01.01.2024 hat der Gesetzgeber im Falle des Ausscheidens die Fortführung der Gesellschaft auch als gesetzlichen Regelfall vorgesehen. Das Gesellschaftsvermögen, d.h. die Aktiva und Passiva, wächst dann den übrigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung an, soweit nichts Abweichendes vereinbart ist. Der ausscheidende Gesellschafter erhält eine angemessene Abfindung.

Eine Sonderkonstellation liegt, auch nach der Gesetzesreform, vor, wenn der vorletzte Gesellschafter einer GbR aus dieser ausscheidet. Denn eine Personengesellschaft setzt immer mehrere Gesellschafter voraus. Eine 1-Personen-GbR ist nicht möglich. In diesem Fall erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation und das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über, d.h. alle Aktiva UND Passiva. Für den Letzt-Gesellschafter kann dies erhebliche Haftungsrisiken begründen. Dies kann vermieden werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Gesellschaftsvertrag 2 Personen voraussetzt. Dann endet die Gesellschaft mit Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters und wird liquidiert. Ob dies dem Willen der Gesellschafter entspricht, ist im Einzelfall zu ermitteln und entsprechend ist der Gesellschaftsvertrag zu gestalten.

Gesellschafter einer GbR sollten prüfen, ob ihre Gesellschaftsverträge Fortführungsklauseln enthalten. Mit der Klarstellung des BGH, dass der Wortlaut der Klausel ernst zu nehmen ist, empfiehlt sich eine Überprüfung der Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag.

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