

Mit dem „Omnibus“ zur Änderung der EU-Lieferkettenrichtlinie – EU Kommission plant Erleichterungen für Unternehmen
Bereits am 25.07.2024 ist die sich auf die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit beziehende sog. „Lieferkettenrichtlinie“ (Richtlinie (EU) 2024/1760, im Folgenden: „Richtlinie“ oder „CSDDD“)) in Kraft getreten (vgl. zur Richtlinie den am 29.08.2024 erschienenen Beitrag von Dr. Sven Tjarks und Dr. Stephan Fischer). Die Richtlinie ist auch unter dem Namen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) bekannt. Der Volksmund spricht schlicht vom „EU-Lieferkettengesetz“.
Die EU-Kommission hat nun am 26.02.2025 die ersten sog. Omnibus-Pakete vorgestellt, die u.a. auch einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie enthalten. Generell wird mit den Omnibus-Paketen insbesondere das Ziel verfolgt, Vereinfachungen in den Bereichen Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Nachhaltigkeit, Berichterstattung über ein nachhaltiges Finanzwesen, EU-Taxonomie, europäische Investitionsprogramme und CO2-Grenzausgleichssystem zu schaffen.
Im Folgenden sollen überblicksartig von der EU-Kommission geplante wesentliche Änderungen in Bezug auf die Richtlinie dargestellt werden:
Vereinfachung von bestimmten Sorgfaltspflichten
- Nach der Richtlinie erfasste Unternehmen sind u.a. dazu verpflichtet, tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen im Bereich der Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln und zu bewerten. Dies gilt für die eigene Geschäftstätigkeit, die ihrer Tochterunternehmen und, sofern diese mit ihren Aktivitätsketten in Verbindung stehen, die ihrer Geschäftspartner. Bzgl. der Geschäftspartner schlägt die EU-Kommission nun vor, die in diesem Zusammenhang vorzunehmende eingehende Bewertung grundsätzlich nur noch auf direkte Geschäftspartner zu beziehen. Eine eingehende Bewertung in Bezug auf indirekte Geschäftspartner soll ein Unternehmen nur noch ausnahmsweise im Fall von Umgehungskonstellationen oder dann durchführen müssen, wenn plausible Informationen zu nachteiligen Auswirkungen vorliegen.
- Von der EU-Kommission wird auch eine Begrenzung des Trickle-down-Effekts auf direkte Geschäftspartner mit weniger als 500 Mitarbeitern verfolgt. Von solchen Geschäftspartnern dürfen im Rahmen der Bewertung der Risiken grundsätzlich nicht mehr als die für die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgeführten Informationen (vgl. hierzu Art. 29a der Richtlinie (EU) 2013/34) angefordert werden. Ziel der Kommission ist es hier, insbesondere mittelständische Unternehmen, die nicht selbst den Regelungen der CSDDD unterfallen, vor überbordenden Anfragen CSDDD-betroffener Großunternehmen zu schützen.
- Der Vorschlag der EU-Kommission sieht die Beendigung der Geschäftsbeziehung zu einem Geschäftspartner zur Verhinderung oder Minderung von negativen Auswirkungen nicht mehr als letztes Mittel vor. Vielmehr wären die Unternehmen in diesem Zusammenhang nur noch zur vorübergehenden Aussetzung der jeweiligen Geschäftsbeziehung als letztes Mittel verpflichtet. Ob dieser Änderungsvorschlag wirklich mehrheitsfähig ist, ist fraglich. So stießen zwar die umfangreichen Anforderungen der CSDDD (und des bereits geltenden LkSG) an die durchzuführenden Sorgfaltspflichten auf Kritik – dass bei bewiesenen Verstößen als ultima ratio die Beendigung einer Geschäftsbeziehung stehen muss, leuchtete hingegen ein.
- Daneben wird vorgeschlagen, dass die regelmäßige Bewertung und Überwachung der Angemessenheit und Wirksamkeit der getroffenen Sorgfaltspflichtmaßnahmen von den Unternehmen nicht mehr jedes, sondern nur noch alle fünf Jahre durchgeführt werden muss. Allerdings muss die Verpflichtung zu anlassbezogenen Überprüfungen auch während dieses Zeitraums beachtet werden.
Zivilrechtliche Haftung nach nationalen Regelungen und Sanktionen
- Bisher sieht die Richtlinie ein einheitliches Regime für die zivilrechtliche Haftung vor. Die EU-Kommission schlägt nun vor, diesen Ansatz fallen zu lassen, so dass sich eine zivilrechtliche Haftung nach den jeweiligen nationalen Regelungen der Mitgliedsstaaten richten würde.
- Auch spezielle Regelungen zur Prozessstandschaft (d.h. der Führung von Prozessen durch Dritte wie bspw. Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen) sind nach dem Vorschlag der EU-Kommission nicht mehr vorgesehen.
- Im Zusammenhang mit Sanktionen für CSDDD-Verstöße ist die Herausgabe von Leitlinien zur Unterstützung der nationalen Aufsichtsbehörden bei der Festlegung der Höhe der Sanktionen geplant. Zudem wäre eine Regelung zum Höchstmaß der Zwangsgelder auf mindestens 5% des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens nicht mehr vorgesehen.
Weitere wesentliche Änderungsvorschläge
- Die EU-Kommission verfolgt auch eine Angleichung der Anforderungen an Übergangspläne, die bestimmte Unternehmen nach der Richtlinie zur Minderung der Folgen des Klimawandels erstellen müssen, an die Anforderungen, die hierzu gem. der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) festgehalten sind.
- Vorgeschlagen wird zudem, dass die Klausel zur Überprüfung, ob Finanzdienstleistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden müssen, gestrichen wird.
- Die EU-Mitgliedstaaten sollen ferner ein Jahr länger, also bis zum 26.07.2027, Zeit haben, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Gleichzeitig soll die Anwendung der Sorgfaltspflichten auf die größten Unternehmen ebenfalls um ein Jahr auf den 26.07.2028 (vorher 26.07.2027) verschoben werden.
Was sollten Unternehmen jetzt tun?
- Insbesondere die oben genannten Änderungen der Richtlinie würden dazu führen, den Aufwand der von der Richtlinie erfassten Unternehmen erheblich zu reduzieren. Insofern fügt sich der Vorschlag der EU-Kommission in einen aktuellen Trend hin zu weniger Bürokratie für Unternehmen ein. Allerdings müssen nun erst einmal das Europäische Parlament und der Europäische Rat über die Vorschläge der EU-Kommission entscheiden, bevor diese in Kraft treten können. Daher sollten Unternehmen in Zukunft aufmerksam verfolgen, ob und, falls ja, in welchem Umfang die Richtlinie tatsächlich geändert wird. Die CSDDD wird dann in Deutschland voraussichtlich durch Anpassung des bereits geltenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) umgesetzt.
- Unabhängig hiervon sollten sich Unternehmen, die vom Geltungsbereich der Richtlinie erfasst sind, rechtzeitig vorbereiten und entsprechende Prozesse implementieren. Es muss insbesondere ein entsprechendes Compliance/Risikomanagement-System geschaffen bzw. ein bestehendes System überarbeitet werden. Zur Ermittlung und Priorisierung von etwaigen tatsächlichen oder potentiellen negativen Auswirkungen auf Menschenrechte oder die Umwelt ist im Vorfeld die Unternehmensstruktur zu überprüfen (Stichwort: Ermittlung standort-/produktbezogener Risiken; Verwaltung der eigenen Aktivitätskette, ggf. Reduzierung/Konzentration der vorgelagerten/nachgelagerten Geschäftspartner). Empfehlenswert ist es auch, Schulungen durchzuführen sowie den Code of Conduct, sonstige Unternehmensrichtlinien sowie Vertragswerke (wie AGB, Musterverträge etc.) zu überprüfen und, falls erforderlich, anzupassen. Zudem sollten sich die verpflichteten Unternehmen frühzeitig darum kümmern, bei relevanten Geschäftspartnern entsprechende vertragliche Zusicherungen zur Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards einzuholen sowie sich vertraglich Auditrechte gewähren lassen (allgemein und anlassbezogen).
- All das ist nicht in Gänze neu: Vielmehr sieht das LkSG bereits vergleichbare Pflichten vor. Ob etwaige Erleichterungen der CSDDD dann tatsächlich auch im LkSG Berücksichtigung finden, ist nach wie vor offen: Art. 1 Abs. 2 CSDDD sieht explizit vor, dass in einem Land bereits geltende höhere Standards nicht durch die CSDDD abgesenkt werden sollen. Wie sich dieser Grundsatz mit von Politikern häufig bzgl. des LkSG bemühten Schlachtrufen wie „das kommt weg“ vereinbaren lassen, ist offen.
2. April 2025