Freie Wahl des Sitzes bei Personengesellschaften
Die Beschränkung der freien Wahl des Satzungssitzes einer Personengesellschaft ist mit Wirkung ab dem 01.01.2024 entfallen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) können die Gesellschafter den Sitz vertraglich vereinbaren. Dieser vertraglich vereinbarte Sitz wird auch „Vertragssitz“ genannt. Dies bietet den Gesellschaftern eine neue Gestaltungsoption – es ist zwischen „Vertragssitz“ und „Verwaltungssitz“ zu unterscheiden.
Sachverhalt
In diesem Zusammenhang ist der folgende Beschluss des KG Berlin zur Rechtslage vor dem MoPeG zu betrachten, um die Bedeutung der neuen Option einzuordnen: Die Gesellschafter einer KG meldeten die Verlegung des Gesellschaftssitzes zur Eintragung in das Handelsregister an. Das Registergericht hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Verlegung des tatsächlichen Sitzes der Gesellschaft nicht glaubhaft gemacht wurde. Denn ein entsprechender Fragebogen der IHK zum Ort der Geschäftsleitung und den Schwerpunkt der unternehmerischen Betätigung blieb unbeantwortet. Gegen die Entscheidung legte der Notar, der die Anmeldung vorgenommen hatte, Beschwerde mit der Begründung ein, dass die Gesellschaft unter der Anschrift erreichbar wäre und ein beschrifteter Briefkasten existiere.
Die Entscheidung des KG Berlin vom 08.05.2023 (22 W 21/23)
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Zunächst hat das KG die vom Notar eingereichte Beschwerde in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung als Beschwerde aller Gesellschafter bewertet. Jedoch war nach Ansicht des Gerichts die Eintragung der Sitzverlegung abzulehnen. Denn der neu einzutragende Sitz war weder der Ort, von dem aus die Geschäfte der Gesellschaft geleitet werden, noch an dem sich der Schwerpunkt der unternehmerischen Betätigung befindet. Ein Betrieb, die Geschäftsleitung und/oder die Verwaltung ließen sich an dem neu einzutragenden Ort gerade nicht feststellen. Allein eine postalische Erreichbarkeit genüge für die Begründung des Gesellschaftssitzes nicht.
Abweichend von diesem Beschluss zur alten Rechtslage haben die Gesellschafter gemäß der neuen Rechtslage des MoPeG nunmehr die Option, den von ihnen gewünschten Ort als „Vertragssitz“ vertraglich festzulegen. Dann genügt auch eine postalische Erreichbarkeit, ohne dass dies vom Registergericht beanstandet werden kann.
Praxishinweis
Der Sitz einer Gesellschaft ist von wichtiger Bedeutung für das Unternehmen. Zum einen manifestieren die Gesellschafter damit ihren Willen zur gemeinsamen Teilnahme am Rechts- und Wirtschaftsverkehr. Zudem ist der Ort des Sitzes der Gesellschaft für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit der Gerichte maßgebend.
Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) hat mit Inkrafttreten am 1. Januar 2024 zu umfassenden Liberalisierungen für Personengesellschaften geführt:
- Sitz der Personengesellschaft:
Nun können die Gesellschafter einer Personengesellschaften den Sitz der Gesellschaft vertraglich frei bestimmen (sog. Vertragssitz). Dieser kann vom sog. Verwaltungssitz, also dem Ort, an dem die Geschäfte der Gesellschaft geführt werden, abweichen. Wird ein Vertragssitz vereinbart, ist dieser der offizielle Sitz der Gesellschaft. Ohne einen vertraglich vereinbarten Sitz gilt automatisch der Verwaltungssitz als Sitz der Gesellschaft. Voraussetzung für die Wahl des Sitzes ist, dass der Vertragssitz (i) im Gesellschaftsvertrag festgelegt wird, (ii) im Inland ist und (iii) im Register eintragen ist.
- Änderung des Sitzes, auch ins Ausland:
Der Vertragssitz kann auch nachträglich geändert werden. Dem steht – anders als in dem vom KG Berlin zur alten Rechtslage entschiedenen Fall – nicht entgegen, dass der neue (Vertrags-)Sitz nicht der Verwaltungssitz ist. Somit kann auch die operative Tätigkeit der Gesellschaft ins Ausland verlegt werden oder bereits bei Gründung im Ausland liegen, währen der Vertragssitz in Deutschland ist. Eine von den Gesellschaftern gewünschte Rechtsform nach deutschem Rech bleibt trotz Verlegung des operativen Geschäfts und / oder der Verwaltung bestehen. Eine Gesellschaft muss damit durch die Verlegung nicht aufgelöst werden. Einzig der Vertragssitz muss in Deutschland sein.
- Beteiligungsverhältnisse nach Beiträgen:
Auch bei den Beteiligungsverhältnissen hat das MoPeG zu einer Annährung des Personengesellschaftsrechts an das Recht der Kapitalgesellschaften geführt. Die Stimmgewichtungen und die Gewinn- und Verlustbeteiligungen richten sich, ohne anderweitige Regelung im Gesellschaftsvertrag, nicht länger nach Köpfen, sondern nach den Beiträgen der Gesellschafter.
- Haftungsfragen:
Das MoPeG hat auch die Haftung der Gesellschafter bei Personengesellschaften für Neu- und Altverbindlichkeiten klar geregelt. Individualvertragliche Vereinbarungen der Gesellschafter außerhalb des Gesellschaftsvertrags bleiben aber möglich. Solche sind zum Schutz der Interessen oftmals unabdingbar.
- Neues Gesellschaftsregister:
Neu ist auch das für die Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) neu geschaffene Gesellschaftsregister. Für den Rechtsverkehr sind eingetragene GbRs nun durch den einen Namenszusatz „eGbR“ erkennbar. Weiterhin besteht durch die Eintragung der wesentlichen Tatsachen (z.B. Vertretungsverhältnisse) ein höherer Schutz für den Rechtsverkehr bei am Wirtschaftsverkehr teilnehmen GbRs (z.B. (Familien-)Immobilien-GbRs). Für einige GbRs besteht zudem ein Zwang zur Eintragung (z.B. bei Immobilienbesitz, Erwerb/Halten von Anteilen an anderen Gesellschaften).
Das neue Personengesellschaftsrecht ist in Kraft. Alle Gesellschafter einer Personengesellschaft sollten daher bereits geprüft haben oder jedenfalls zeitnah prüfen, ob und in welchen Bereichen sie von den Neuerungen betroffen sind. Gegebenenfalls bietet es sich an, bestehende Gesellschaftsverträge anzupassen.
20. März 2024