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Reichweite des Stimmverbots bei der Beschlussfassung in der GmbH

Ist der Gesellschafter einer GmbH von Beschlüssen selbst betroffen, unterliegt er bei der Beschlussfassung einem Stimmverbot. Das kann sogar dann gelten, wenn er nur mittelbar betroffen ist.

Sachverhalt: Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits

In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung einer GmbH.

Die GmbH hatte drei Gesellschafter, namentlich den späteren Kläger und zwei weitere Gesellschafterinnen. Die beiden Mitgesellschafterinnen des Klägers waren daneben an einer Konkurrenzgesellschaft beteiligt.

Im Zusammenhang mit einer markenrechtlichen Streitigkeit stellte sich 2019 die Frage, ob die GmbH Schadensersatzansprüche gegen die Mitgesellschafterinnen des Klägers persönlich und die Konkurrenzgesellschaft, an der sie beteiligt waren, geltend machen sollte. Dazu fand eine Gesellschafterversammlung der GmbH statt. Der Kläger stimmte für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche, seine Mitgesellschafterinnen stimmten dagegen und überstimmten den Kläger.

Der Kläger klagte daraufhin gegen die Beschlussfassung. Nach mehreren Instanzen entschied der BGH und gab dem Kläger größtenteils recht.

Das Urteil des BGH vom 08.08.2023 (Az. II ZR 13/22): Bestehen eines Stimmverbots

Der BGH erklärte die Beschlüsse für wirksam und begründete das damit, dass die Mitgesellschafterinnen des Klägers einem Stimmverbot unterlegen hätten. Ihre Stimmen hätten bei der Berechnung der Mehrheiten nicht berücksichtigt werden dürfen.

Dabei machte das Gericht deutlich: Wenn ein Beschluss über die Einleitung eines Rechtsstreits oder die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen eine Drittgesellschaft gefasst werden soll, dürfen die Gesellschafter nicht mitstimmen, die alle Anteile an dieser Drittgesellschaft halten. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die betroffenen Gesellschafter eine Entscheidung nicht zum Wohl der GmbH, sondern mit Blick auf ihre eigenen Interessen als Gesellschafter der Drittgesellschaft fassen würden. Stimmverbote – so der BGH – bestünden erst recht, wenn es um die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Gesellschafter selbst gehe.

Einen spannenden Nebenaspekt stellte der BGH auch klar: Das Gericht darf nur die Beschlüsse feststellen, die in der ursprünglichen Gesellschafterversammlung zur Abstimmung gestanden haben. Der Kläger könne also nicht im Rahmen seiner Klage zusätzliche oder weitergehende Beschlussfassungen herbeiführen. Im konkreten Fall hatte er im Prozess beantragt, als Prozessvertreter für die Schadensersatzverfahren eingesetzt zu werden – in der Gesellschafterversammlung hatte das nicht auf der Tagesordnung gestanden.

Praxishinweis: Vorsicht beim „Richten in eigener Sache“

Bei der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung soll kein Gesellschafter zum „Richter in eigener Sache“ werden. Im GmbH-Recht – konkret: in § 47 Abs. 4 GmbHG – ist das ausdrücklich geregelt; der Grundsatz gilt aber genauso bei anderen Gesellschaftsformen (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften, Offenen Handelsgesellschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts usw.).

Nach der gesetzlichen Regelung besteht ein Stimmverbot bei der GmbH immer dann, wenn ein Gesellschafter durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll oder die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft. Die ungeschriebenen Anwendungsfälle gehen darüber aber weit hinaus, so bestehen Stimmverbote beispielsweise auch dann, wenn es um die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers oder die Einziehung von Geschäftsanteilen aus wichtigem Grund geht. Der Fall des BGH zeigt, dass selbst eine indirekte Betroffenheit ein Stimmverbot auslösen kann.

Der Gesellschaftsvertrag kann Stimmverbote ausweiten, konkretisieren und – zumindest teilweise – einschränken. Wichtig ist, dass die Regelungen zur konkreten Gesellschaft und den Gesellschafterverhältnissen passen. Der Gesellschaftsvertrag sollte (auch) insofern also sorgfältig gestaltet sein.

Dabei darf nicht vergessen werden: Nur, weil ein Gesellschafter einem Stimmverbot unterliegt, darf er bei der Beschlussfassung nicht per se außenvorgelassen werden. Das gilt sogar dann, wenn er bei allen Tagesordnungspunkten „befangen“ ist und nicht mit abstimmen darf. Der betroffene Gesellschafter hat auch in diesen Situationen ein Recht zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung und muss sich dort auch äußern können. Andernfalls ist die Beschlussfassung im Regelfall anfechtbar.

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