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Kein Kaduzierungsverfahren und keine Ausfallhaftung bei verjährter Einlageforderung

Ist der Anspruch einer GmbH auf Leistung von Einlagen verjährt, können die Geschäftsanteile des betroffenen Gesellschafters ihm nicht mehr im Kaduzierungsverfahren nach § 21 GmbHG „weggenommen“ werden und greift keine Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter. Dies stellte kürzlich der BGH klar.

Sachverhalt

Der Entscheidung des BGH lag die Forderung auf Zahlung der Einlage eines Gesellschafters im Wege der Ausfallhaftung gem. § 24 S. 1 GmbHG durch den Insolvenzverwalter einer GmbH zugrunde.

Die GmbH war 2007 gegründet worden. Der spätere Beklagte übernahm einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von EUR 2.500,00, als weiterer Gesellschafter übernahm eine Holding-GmbH einen weiteren Geschäftsanteil im Nennbetrag von EUR 22.500,00. Die Einlagen waren nach der Satzung jeweils in Geld und zur Hälfte sofort zu erbringen. Die Holding-GmbH zahlte im Sommer 2007 jeweils EUR 11.250,00 an die GmbH, erhielt aber kurz darauf eine Zahlung in Höhe von EUR 25.000,00 von der GmbH zurück. Der Beklagte übertrug seinen Geschäftsanteil später auf die Holding-GmbH.

2016 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im gleichen Jahr wurde die Holding-GmbH im Februar 2016 wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst und zunächst aus dem Handelsregister gelöscht. Der Insolvenzverwalter der GmbH veranlasste jedoch die Bestellung eines Nachtragsliquidators für die Holding GmbH. Anschließend forderte der Insolvenzverwalter die Holding-GmbH, vertreten durch den Nachtragsliquidator, zur Zahlung der Einlage binnen Monatsfrist auf und erklärte die Holding-GmbH kurz darauf mangels fristgemäßer Zahlung ihres Geschäftsanteils an der GmbH für verlustig. Die Zahlung der hälftigen Einlage der Holding-GmbH forderte der Insolvenzverwalter im Wege der Ausfallhaftung gem. § 24 S. 1 GmbHG vom Beklagten. Dieser berief sich jedoch auf die Verjährung der Einlageforderung gegenüber der Holding-GmbH und meinte, dass man deshalb auch ihn nicht in Anspruch nehmen könne.

Daraufhin klagte der Insolvenzverwalter. Das LG Berlin gab der Klage statt, das KG Berlin wies sie ab. Mit der Revision beim BGH begehrte der Insolvenzverwalter die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Urteil des BGH vom 09.01.2024 – Az. II ZR 65/23

Der BGH wies die Revision des Insolvenzverwalters zurück. Ein Anspruch auf Zahlung der hälftigen Einlage durch den Beklagten gem. § 24 S. 1 GmbHG bestehe nicht.

Zwar hafte der Beklagte grundsätzlich im Rahmen der Ausfallhaftung nach § 24 S. 1 GmbHG, da er bei Eintritt der Fälligkeit der Einlageforderung gegen die Holding-GmbH selbst noch Gesellschafter der GmbH war. Allerdings würden Einlageforderungen, die vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt waren, nicht von der Ausfallhaftung nach § 24 S. 1 GmbHG erfasst. Hier seien die Ansprüche gegen die Holding-GmbH bereits vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt gewesen. Das stehe der Kaduzierung auch dann entgegen, wenn die Verjährungseinrede nicht ausdrücklich erhoben werde. Die für eine Kaduzierung erforderliche Säumnis fehle in diesem Fall, weil die Nichtleistung auf die verjährte Einlageforderung nicht mehr rechtswidrig ist.

Praxishinweis

Ist das Stammkapital bei einer GmbH nicht ordentlich aufgebracht worden, kann das gravierende Folgen für den betroffenen Gesellschafter haben. Er muss nicht nur befürchten, die Einlage (vor allem in Insolvenzfällen) doppelt leisten zu müssen, sondern außerdem den entschädigungslosen Verlust der betroffenen Anteile im sog. Kaduzierungsverfahren (§ 21 GmbHG). Einem mit seiner Einlage rückständigen Gesellschafter können durch dieses (sehr formale) Verfahren seine Geschäftsanteile entschädigungslos genommen werden. Für die ausstehende Einlage haften in diesem Fall zugleich Rechtsvorgänger des betroffenen Gesellschafters und sogar die übrigen Gesellschafter (§§ 22 ff. GmbHG).

Der BGH hat mit seinem Urteil nun klargestellt, dass die Kaduzierung nach § 21 GmbHG eine rechtswidrige Leistungsverzögerung voraussetzt. Deswegen schließe bereits der Bestand eines Leistungsverweigerungsrechts (hier: Verjährung) und nicht erst dessen Geltendmachung durch den Gesellschafter eine Kaduzierung aus. Auch eine Inanspruchnahme von Rechtsvorgängern und den anderen Gesellschaftern sei in diesem Fall ausgeschlossen.

Das Urteil des BGH unterstreicht damit die Anforderung an GmbH-Geschäftsführer und – im Fall einer Insolvenz der GmbH – den Insolvenzverwalter, die Verjährungsfrist des § 19 Abs. 6 GmbHG für die Einforderung ausstehender Einlagen genau zu überwachen. Grundsätzlich verjähren danach Ansprüche auf Leistung der Einlage gem. § 19 Abs. 6 S. 1 GmbHG in zehn Jahren ab ihrer Entstehung, also ab Fälligkeit des Leistungsanspruchs. Das gilt – auch das macht der BGH deutlich – auch beim Hin- und Herzahlen, denn in diesem Falle fehlt es von vornherein an einer Leistungsbefreiung von der Einlageverpflichtung. Geschäftsführer und Insolvenzverwalter müssen also die Verjährung genau prüfen und im Blick haben – und dann rechtzeitig (im Einzelfall zeitintensive!) verjährungshemmenden Maßnahmen einleiten.

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