Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH aus Gesellschaftsmitteln: proportionale Erhöhung aller Geschäftsanteile nicht erforderlich
Eine Kapitalerhöhung einer GmbH aus Gesellschaftsmitteln bedarf nicht zwingend einer proportionalen Erhöhung aller einzelnen Geschäftsanteile, solange das Beteiligungsverhältnis der Gesellschafter unverändert bleibt. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht („OLG“) entschieden (Beschluss vom 03.04.2024, 2 Wc 57/23).
Sachverhalt
Dem Beschluss des OLG lag folgender Sachverhalt zugrunde: In einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (nachfolgend: Beschwerdeführerin) sollte eine Erhöhung des Stammkapitals erfolgen. Das Stammkapital verteilte sich auf vier Gesellschafter: zwei Gesellschafter, die jeweils 45% des Stammkapitals – verteilt auf je drei Geschäftsanteile – hielten und zwei Gesellschafter, die jeweils 5% des Stammkapitals –verteilt auf je zwei Geschäftsanteile – hielten. Im Jahr 2023 fasste die Gesellschafterversammlung den notariell beurkundeten Beschluss, das Stammkapital durch Erhöhung der Geschäftsanteile aus einer Gewinnrücklage der Gesellschaft zu erhöhen. Die Erhöhung sollte derart erfolgen, dass lediglich ein Geschäftsanteil eines jeden Gesellschafters erhöht wird. Durch die Erhöhung sollte das Beteiligungsverhältnis aller Gesellschafter von jeweils 45% bzw. 5% jedoch nicht verändert werden. Auf die Anmeldung der Eintragung der Kapitalerhöhung erteilte das Registergericht den Hinweis, dass an einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sämtliche Geschäftsanteile proportional teilnehmen müssten. In der Zwischenzeit fasste die Gesellschafterversammlung einen neuen Beschluss, der die Erhöhung der Geschäftsanteile änderte und nunmehr die proportionale Erhöhung sämtlicher Geschäftsanteile beinhaltete. Das Registergericht lehnte per Beschluss die Eintragung der Kapitalerhöhung dennoch ab: Nach Auffassung des Registergerichts sei der ursprüngliche Beschluss nichtig gewesen, weswegen der darauf aufbauende, nachfolgende Gesellschafterbeschluss zur Änderung ebenfalls unwirksam sei. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin.
Die Entscheidung des OLG vom 03.04.2024 (2 Wx 57/23)
Die Beschwerde hatte in der Sache Erfolg. Nach der Auffassung des OLG war der ursprüngliche Beschluss zur Erhöhung des Stammkapitals wirksam, weswegen dieser auch geändert werden konnte. Das Registergericht habe daher die Eintragung der Erhöhung des Stammkapitals vorzunehmen:
Der ursprüngliche Beschluss sei wirksam, da die Erhöhung des Stammkapitals aus einer Gesellschaftsrücklage im Wege der Erhöhung des Nennbetrags der bereits bestehenden Geschäftsanteile erfolgen könne. Dabei sei es (gesetzlich) nicht erforderlich, dass sämtliche Geschäftsanteile proportional erhöht werden. Vielmehr sei bei der gewählten Art der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln lediglich zu beachten, dass durch die Erhöhung das Verhältnis der bisherigen Beteiligung der Gesellschafter am Stammkapital nicht verändert würde. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass eine differenzierte Behandlung einzelner Geschäftsanteile im Einzelfall sogar geboten sein könne, wenn beispielsweise abweichende Stimmrechte mit dem Anteil verbunden seien oder der Geschäftsanteil nur teilweise eingezahlt sei.
Neben dem ursprünglichen Beschluss sei daher auch die Änderung wirksam und zur Grundlage der Eintragung zu machen. Ergänzend wies das OLG zudem darauf hin, dass das Registergericht verpflichtet gewesen wäre, den Beschluss zur Änderung der Erhöhung isoliert dahingehend zu prüfen, ob dieser für sich genommen als Eintragungsgrundlage hätte dienen können.
Praxishinweis
Eine Erhöhung des Stammkapitals – unabhängig davon, ob diese aus Gesellschaftsmitteln erfolgt oder gegen Einlage – dient unter anderem dazu, die Stellung und insbesondere Kreditwürdigkeit des Unternehmens im Wirtschaftsverkehr zu stärken. Da Erhöhungen des Stammkapitals mitunter zeit- und daher auch kostenintensiv sein können, sind Fehler im Erhöhungsverfahren oftmals schwer verzeihlich. Es ist daher sinnvoll rechtzeitig professionellen Rat einzuholen. Dies fängt bereits bei der Frage an, wer an der Kapitalerhöhung partizipieren darf: Ein Ausschluss des Bezugsrechts mancher Altgesellschafter ist häufig verlockend – in der Praxis aber mit hohen Hürden versehen. Zudem stellt sich die Frage, welche Art der Kapitalerhöhung in der entsprechenden Situation sinnvoll ist: Eine Erhöhung gegen Bareinlage, Sacheinlage oder aus Gesellschaftsmitteln?
Vorteil einer Kapitalerhöhung gegen Bareinlage ist insbesondere die unmittelbar verfügbare, neue Liquidität. Andererseits kann es sich auch anbieten, eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage zu wählen. Gegenstände einer Sacheinlage reichen von gewerblichen Schutzrechten bis hin zu Immobilien oder sogar ganzen Unternehmen. Die immerwährende Frage, ist die nach der Werthaltigkeit der Sacheinlage. Vereinfacht ausgedrückt: Nicht jeder objektive Dritte teilt die eigene Einschätzung der Werthaltigkeit des eingebrachten VW Käfer aus Jugendzeiten.
Schließlich zeigt der vorliegende Fall, dass auch bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln entscheidende Fallstricke bestehen. Insbesondere wenn Gesellschafter ungleich behandelt werden, ist häufig die Nichtigkeit des zugrundeliegenden Beschlusses gegeben. Gerade in Konstellationen, in denen z.B. wegen des Einstiegs von Investoren eine zügige Umsetzung der Kapitalerhöhung erforderlich ist, bringt eine rechtlich ungenaue Gestaltung Risiken mit sich, deren Folgen gravierend sein können.
7. Mai 2024