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Die wirtschaftliche Neugründung der GmbH

Die Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes müssen auch bei wirtschaftlichen Neugründungen – also dann, wenn eine inaktive Gesellschaft erstmals oder nach längerer Inaktivität wieder wirtschaftlich tätig wird – eingehalten werden. Wirtschaftliche Neugründungen sind dem Registergericht offenzulegen.

Sachverhalt

Das OLG Düsseldorf befasste sich im Rahmen der Eintragung einer Satzungsänderung einer GmbH mit der wirtschaftlichen Neugründung.

Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH bestellte per Gesellschafterbeschluss einen weiteren Geschäftsführer und änderte die Geschäftsanschrift. In diesem Zuge erwarb der neue Geschäftsführer den einzigen Geschäftsanteil im Nennbetrag von EUR 25.000 zu einem Preis von EUR 3.000. Im Kauf- und Abtretungsvertrag wurde zugleich eine Kapitalerhöhung beurkundet und einem weiteren Gesellschafter ein zusätzlicher Geschäftsanteil in gleicher Höhe eingeräumt. In der zugrundeliegenden notariellen Urkunde befand sich außerdem die Vorbemerkung, dass das Stammkapital aufgebraucht sei. Zusätzlich wurden die Firma und der Unternehmensgegenstand der Gesellschaft geändert.

Der Notar meldete die Satzungsänderungen zum Handelsregister an. Dieses lehnte die Eintragung ab. Die Angabe, dass das ursprüngliche Stammkapital aufgebraucht sei, deute mit den angemeldeten Änderungen (Firma, Unternehmensgegenstand, Geschäftsführung) darauf hin, dass der Anmeldung ein sog. Mantelkauf zugrunde liege. Daher hätten die Geschäftsführer zu versichern, dass sich die Stammeinlagen endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführung befinden würden.

Daraufhin reichte der Notar eine Erklärung ein, nach der die Passage des aufgebrauchten Stammkapitals ersatzlos gestrichen worden sei. Außerdem reichte er die Erklärung des zuletzt hinzugetretenen und zwischenzeitlich alleinig geschäftsführenden Gesellschafters ein, in der dieser versicherte, dass auf den ersten Geschäftsanteil EUR 25.000 zu seiner freien Verfügung eingezahlt seien.

Das Registergericht lehnte die Eintragung dennoch ab. Es hielt die auf einen vergangenen Zeitpunkt bezogene Versicherung der Kapitalaufbringung für unzulässig. Hiergegen legte der Notar Beschwerde ein.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf vom 22.02.2024 (Az. 3 Wx 24/24)

Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Das OLG Düsseldorf stellte fest, dass die Eintragung zu Recht abgelehnt wurde. Es liege eine wirtschaftliche Neugründung vor. Diese sei gegeben, wenn die veräußerte Gesellschaft keine unternehmerische Tätigkeit mehr betreibe, die über die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten hinausgehe. Liege ein solcher „Mantelkauf“ vor, seien die Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes heranzuziehen. Deshalb sei insbesondere die Unversehrtheit des Stammkapitals registergerichtlich zu kontrollieren.

Werde die wirtschaftliche Neugründung nicht explizit offengelegt, sei entscheidend, ob tragfähige Indizien für eine Mantelverwendung vorliegen würden. Dies sei hier der Fall; für einen Mantelkauf sprächen unter anderem der geringe Kaufpreis für den Geschäftsanteil, die Bemerkung, dass das Stammkapital aufgebraucht sei und der Umstand, dass es keine Hinweise auf die Abwicklung laufender Geschäfte gebe.

Bei einem solchen Mantelkauf hätten jedoch die Beteiligten dem Registergericht offenlegen müssen, dass es sich um eine wirtschaftliche Neugründung handele. Bei der Handelsregisteranmeldung hätten die Geschäftsführer zudem die persönlichen Erklärungen über eine ordnungsgemäße Stammkapitalaufbringung abgeben müssen, und zwar mit der Anmeldung der Satzungsänderung und nicht durch nachträgliche Erklärung.

Praxishinweis

Die GmbH zeichnet sich durch einen besonderen Haftungsschutz aus. Für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen; eine unmittelbare Haftung der Gesellschafter besteht im Regelfall nicht. Aus diesem Grund ist das Gesellschaftsvermögen der GmbH besonders geschützt: Sowohl bei der Gründung der Gesellschaft als auch im laufenden Geschäftsbetrieb muss das Stammkapital erhalten werden. Das kontrollieren die Handelsregister streng, beispielsweise, wenn bei ihnen Gründungen oder Kapitalerhöhungen angemeldet werden. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt einmal mehr, dass das Handelsregister nicht nur bei klassischen Neugründungen, sondern auch bei wirtschaftlichen Neugründungen genau hinsieht.

Die wirtschaftliche Neugründung ist dabei etwas anderes als die Umstrukturierung einer aktiven Gesellschaft. Wenn die Gesellschaft zu einer „leeren Hülle“ geworden ist und „neu aktiviert“ wird, liegt eine wirtschaftliche Neugründung vor. Der Rechtsverkehr ist bei einer solchen wirtschaftlichen Neugründung genauso zu schützen, wie bei einer klassischen Neugründung. Deswegen müssen zum Beispiel die Geschäftsführer gegenüber dem Handelsregister die wirtschaftliche Neugründung offenlegen und versichern, dass ihnen das zu erbringende Stammkapital zur freien Verfügung steht. Ist diese Versicherung falsch, können die Geschäftsführer strafrechtlich belangt werden. Deckt das Gesellschaftsvermögen das Stammkapital der Gesellschaft nicht, haften die Gesellschafter außerdem für den Differenzbetrag (sog. Unterbilanzhaftung).

Das OLG Düsseldorf reiht sich mit seinem Beschluss in die gängige Rechtsprechung ein (siehe beispielsweise die Entscheidung des KG Berlin vom 12.10.2022 (Az. 22 W 48/22) und gibt der Praxis hilfreiche Leitlinien an die Hand, wann man von einer wirtschaftlichen Neugründung ausgehen muss. Eine wirtschaftliche Neugründung ist beispielsweise dann naheliegend, wenn die neue Tätigkeit der Gesellschaft in keiner Weise an das vorherige Unternehmen wirtschaftlich anknüpft bzw. wenn Firma, Gegenstand und Sitz der Gesellschaft geändert werden. Auch Textbausteine des Kauf- und Abtretungsvertrages, die nicht auf den konkreten Fall passen, können Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Neugründung sein, ebenso wie die fehlende Übergabe der Geschäftstätigkeit. Bei dem Rückgriff auf GmbH-Mäntel bzw. der Neuausrichtung bestehender Gesellschaften ist daher Vorsicht geboten. Speziell wenn Anteile für symbolische Beträge veräußert werden und die Gesellschaft nicht an eine unternehmerische Tätigkeit angeknüpft, ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine wirtschaftliche Neugründung vorliegt. In diesem Fall muss man darauf achten, die ordnungsgemäße Stammkapitalaufbringung zu prüfen und in den Handelsregistererklärungen deutlich zu machen.

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