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Vereinbarung von Zahlungen für den Scheidungsfall - Nichtanwendungserlass zum BFH-Urteil vom 1. September 2021

Werden im Ehevertrag indexierte Bedarfsabfindungen für den Scheidungsfall vereinbart, sind diese nicht ohne Weiteres als entgeltliche (und damit nicht schenkungsteuerbare) Zuwendungen anzusehen. Der Erlass wendet sich gegen das Urteil des BFH vom 1. September 2021 (BStBl. I 2023, 203).

Urteil und Reaktion der Finanzverwaltung

Obwohl die durchschnittliche Ehedauer kontinuierlich steigt und die Scheidungsquote seit 2005 kontinuierlich sinkt (mit Ausnahme eines kleinen Aufwärtstrends während der Pandemiezeit), kamen im Betrachtungsjahr 2022 immer noch auf drei Eheschließungen ca. eine Scheidung. Bei der gebotenen „lebensnahen Betrachtung“ ist es also weiterhin empfehlenswert, die Trübung in Kauf zu nehmen, die die Hochzeitsvorbereitungen durch die Ausarbeitung eines Ehevertrages erfahren können. Besonders ungern wird unter diesen Umständen an den Scheidungsfall gedacht, wenngleich konzise Vereinbarungen über die Berechnung des Zugewinnausgleichs erfahrungsgemäß viel Ärger und Kosten ersparen und auch nicht liquides Betriebsvermögen schützen können.

Eine Scheidungsfolgenregelung trafen – umsichtigerweise - auch die Eheleute im hier zu besprechenden Fall. Wegen Gütertrennung war ein Zugewinnausgleichsanspruch ausgeschlossen, ersatzweise wurde der Klägerin vom (nun: ehemaligen) Ehemann für den Scheidungsfall bei einem Bestand der Ehe von 15 vollen Jahren ein indexierter Zahlungsanspruch eingeräumt (der sich bei Scheidung vor Fristablauf pro rata temporis vermindern sollte). Das Vereinbarte trat ein, worauf das Finanzamt einen Schenkungsteuerbescheid wegen freigebiger Geldzuwendung erließ – wohlgemerkt bei Steuerklasse II und 20.000 € Freibetrag -, gestützt auf die bisherige Rechtsprechung des BFH zu Kompensationszahlungen bei Verzicht auf Zugewinnausgleichs-/Unterhaltsansprüche. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH allerdings gab der Revision statt und hob den angefochtenen Bescheid auf (Az. II R 40/19, BStBl II 2023, 146). Es handele sich bei der Zahlung aufgrund umfassender individueller Regelung nicht um eine freigebige Zuwendung. Anders als bei „Pauschalabfindungen“ vorEingehung der Ehe und damit voreiner etwaigen Gegenleistung und vorEntstehung eines etwaigen Zugewinnausgleichsanspruchs diene die hier vereinbarte „Bedarfsabfindung“ dazu, denkbare gesetzliche familienrechtliche Ansprüche im Wege einer Pauschalierung nach Beendigung der Ehe neu auszutarieren und abzugelten. Eben diesen Ausgleich der Interessen strebe der Vertrag an. Es fehle auch am subjektiven Willen zur Freigebigkeit, denn Vertrag und Abfindungszahlung sollten dazu dienen, das eigene Vermögen vor unwägbaren finanziellen Verpflichtungen infolge einer Scheidung zu schützen. Es wäre, nebenbei bemerkt, auch etwas lebensfremd, wolle man den Ausgleichszahlenden zu Ehebeginn pauschal unterstellen, er wolle seinen Ehepartner „ausnehmen“. 

Weiterhin führt der BFH aus, § 7 Abs. 3 ErbStG, wonach nicht in Geld bewertbare Gegenleistungen bei der Feststellung des Vorliegens einer Bereicherung nicht berücksichtigt werden, sei nicht anwendbar. Denn der Zahlungsanspruch sei bedingt auf den Scheidungsfall, in dem ein Zugewinnausgleichsanspruch (anders als bei einer Pauschalabfindung im Vorhinein) durchaus berechnet werden könnte. Damit grenzte der BGH ab von seiner Rechtsprechung zum Verzicht: Während ein – unabhängig ob vor oder nach Eheschließung – ohne Entgelt erklärter (Teil-)Verzicht auf künftige, für den Fall der Scheidung und daher hinsichtlich ihres Entstehens unsichere Ausgleichs- oder Unterhaltsansprüche keine freigebige Zuwendung darstellt, ist eine für diesen Verzicht vor Anspruchsentstehung geleistete Abfindung steuerpflichtig.

In der Folge war in der Praxis also geboten, darauf zu achten, dass sich die Ehefolgenregelung als umfassend individuelles „Gesamtpaket“ darstellt, das ebenso dem Interessenausgleich dient wie die gesetzliche Regelung, und aus dem keine Einzelleistung isoliert werden kann. Zahlungen zur pauschalen Abgeltung waren auf das Ende des Ehezeitraumes zu vereinbaren und ggf. auch an der Anzahl der Ehejahre zu orientieren, in der die „Gegenleistung“ des Zuwendungsempfängers erbracht wird (z. B. Haushaltsführung, Kindererziehung usw.), sodass die Ausgleichsforderung in einem angemessenen Verhältnis zum Gesamtwert der abbedungenen ehebedingten Ansprüche stand. Der BFH erwähnte die Scheidung dabei nur als Beispiel, auch für den Todesfall konnten nach der Rechtsprechung nicht steuerbare Bedarfsabfindungen vereinbart werden.

Das Urteil wurde in der Literatur begrüßt. Auch an anderer Stelle war das Zivilrecht schon als maßgeblich auch für das Steuerrecht anerkannt worden. Mit dem Urteil war Eheschließenden eine akzeptable Perspektive aufgezeigt: Denn nach der Rechtsprechung zum Verzicht auf ggf. zukünftig entstehenden Zugewinnausgleich bei Kompensationsversprechen war – weil eben dieses Versprechen steuerbar ist (für den Verzicht gilt § 7 Abs. 3 ErbStG, s.o.) – nur ein einseitiger Verzicht ohne Kompensationszahlung denkbar, was selbstverständlich einer zivilrechtlichen Inhaltskontrolle kaum standhalten konnte und (im Übrigen) nicht gewollt war.

Nun: Die Finanzverwaltungen sahen das (meistenteils) anders als der BFH. Im zitierten, von der Kommentarliteratur freilich nicht beachteten, Erlass (BStBl. I 2023, 203) wird angewiesen, es könne bei der Erfüllung von freiwilligen vertraglichen Vereinbarungen weder generell davon ausgegangen werden, dass eine Zahlung im rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung steht, noch, dass der Zuwendende die Leistung – ggf. mit laienhafter Beurteilung – als entgeltlich ansieht. Es handele sich um ein Einzelfallurteil. Der Erlass ist nach dem Schreiben der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. März 2023 (BStBl. I S. 407) auch weiterhin auf Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2021 verwirklicht werden, anzuwenden – wobei es auf den Zeitpunkt der Zuwendung ankommt.

In Zukunft wird man sich also wieder auf Diskussionen mit der Finanzverwaltung einlassen müssen bezüglich dieser Abgeltungszahlungen. In der Vereinbarung wird man deutlich machen müssen, dass z.B. aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten vom gesetzlichen Modell abweichende Regelungen als sachgerechter empfunden werden im Hinblick auf die Beiträge beider Ehegatten während der Ehe; die Motive sollten klar und nachvollziehbar dokumentiert werden. Auf eine Orientierung an der „Gegenleistung“ des Partners ist unbedingt weiterhin zu achten – sofern überhaupt möglich bei der erforderlichen Prognoseleistung.

Sind (künftige) Eheleute wenig risikofreudig (bzw. will sich der Zuwendungsempfänger im Scheidungsfall nicht auch noch in diesem Punkt mit dem Finanzamt auseinandersetzen), wird man eine Gestaltung wählen müssen, bei der die Kompensationsleistung noch während aber zum Ende der Ehe erbracht wird – um in den Genuss der günstigeren Steuerklasse und des höheren Freibetrags zu kommen – oder gar Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich als grundsätzlich faire Modelle akzeptieren und – wie bisher praktiziert - nur ganz geringfügig modifizieren, etwa durch die Herausnahme von Betriebsvermögen oder bestimmten Vermögensgegenständen, die aus einer vorweggenommenen Erbfolge des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin stammen.

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