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D&O-Versicherung: Abtretung von Freistellungsanspruch gegenüber Versicherer hemmt die Verjährung des Haftungsanspruchs

Die Verjährung des Haftungsanspruchs eines geschädigten Unternehmens gegenüber dessen Geschäftsführer wird gehemmt, wenn der Geschäftsführer seinen Freistellungsanspruch gegenüber der Directors-and-Officers-Versicherung („D&O-Versicherung“) an das geschädigte Unternehmen abtritt (Oberlandesgericht Schleswig, Urteil vom 26.02.2024 (Az. 16 U 93/23; VersR 2024, 495)).

Mit der Abtretung des Freistellungsanspruchs wird zugleich ein sog. Stillhalteabkommen zwischen der versicherten Person (Geschäftsführer) und der Versicherungsnehmerin (geschädigtes Unternehmen) dahingehend geschlossen, dass die Versicherungsnehmerin den Haftungsanspruch gegen die versicherte Person nicht geltend machen kann, solange der Direktprozess zwischen Versicherungsnehmerin und dem Versicherer geführt wird.

Sachverhalt

Dem Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig („OLG Schleswig“) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Durch einen Brand im Jahr 2018 in einer Bäckerei, betrieben in der Form einer GmbH („Klägerin“), entstand ein Schaden, der jedoch nur zum (geringen) Teil von der Feuerversicherung reguliert und übernommen wurde. Der Geschäftsführer des geschädigten Unternehmens hatte es unterlassen, das Unternehmen in Bezug auf die betrieblichen Einrichtungen mit ausreichendem Versicherungsschutz auszustatten. Die Klägerin nahm den Geschäftsführer auf den Restschaden im Jahr 2019 in Anspruch. Der Geschäftsführer trat seinen Freistellungsanspruch gegenüber der D&O-Versicherung („Beklagte“) an die Klägerin ab. Die Beklagte lehnte ein Eintreten ab. Die Klägerin reichte gegen die Beklagte Klage auf Zahlung des entstanden (Rest-)Schadens ein. In erster Instanz gewann die Klägerin.

Entscheidung des OLG Schleswig

Das Berufungsgericht, das OLG Schleswig, bestätigte im Wesentlichen das Urteil der Vorinstanz.

Das OLG Schleswig hat zum Direktprozess (Haftungs- und Deckungsrechtsstreit) zwischen (dem) geschädigten Unternehmen und der D&O-Versicherung zu zwei bislang durch die Literatur diskutierten Fragen Stellung genommen.

Zunächst hat das OLG Schleswig in seiner Entscheidung festgestellt, dass durch die Abtretung des Freistellungsanspruchs des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der D&O-Versicherung wegen einer Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG ebenfalls ein sog. „pactum de non petendo“ (lat.: Vertrag, nicht zu fordern) vereinbart wird. Dieses Stillhalteabkommen zwischen der versicherten Person, dem Geschäftsführer und der Versicherungsnehmerin, der hiesigen Klägerin, besteht darin, dass sich die Klägerin verpflichtet, solange nicht mehr gegen den Geschäftsführer vorzugehen, wie die Möglichkeit besteht, von der beklagten D&O-Versicherung in dem einheitlichen Haftungs- und Deckungsprozess Ersatz des Schadens zu erhalten. Insofern ist ein Haftungsprozess gegenüber dem Geschäftsführer in dieser Zeit unzulässig.

Darüber hinaus hat das OLG Schleswig festgestellt, dass durch die Abtretung des Freistellungsanspruchs die Verjährung des Haftungsanspruchs des geschädigten Unternehmens gegen den Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2, Abs. 4 GmbHG für die Dauer der Anspruchsverfolgung gegenüber der beklagten D&O-Versicherung gehemmt ist.

Praxishinweis

Zu einzelnen Rechtsfragen des – nach der Rechtsprechung anerkannten – Direktprozesses lässt sich bislang – soweit ersichtlich – neben der hiesigen Entscheidung nur noch eine obergerichtliche Entscheidung finden. So hat sich das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 21.11.2023 (Az.: 9 U 206/22) (hierzu unser Beitrag vom 06.11.2023) zur Beweislast in einem Direktprozess geäußert. Abzuwarten bleibt, ob sich der Bundesgerichtshof dieser bedeutenden Rechtsfragen um den Direktprozess annehmen wird.

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