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Fristlose Kündigung wegen vorsätzlicher Low-Performance

Die fristlosen Kündigungen zweier Telefonisten des Bürgertelefons der Hansestadt Bremen erachtete das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven (Urteile vom 14.12.2023 – 2 Ca 2206/23 und 2 Ca 2207/23) für wirksam, deren Telefoniezeiten lediglich zwischen 30 und 35% bzw. zwischen 16 und 33% der dienstplanmäßigen Arbeitszeit betrugen.

Sachverhalt

Den Urteilen des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger waren als Servicemitarbeiter im Bereich des Bürgertelefons der Hansestadt Bremen beschäftigt. Die Beklagte Hansestadt warf den Klägern vor, Telefonanrufe lediglich in geringem Umfang entgegengenommen zu haben und stützte sich hierbei auf eine nachträgliche Auswertung der Telefoniezeiten für die Zeit von März bis Mai 2023. Der Personalrat stimmte der Auswertung der Telefoniezeiten zuvor ausdrücklich zu. Die beklagte Arbeitgeberin war der Ansicht, die Auswertungen über einen exemplarischen Zeitraum von vier Tagen belegten einen Arbeitszeitbetrug und kündigte die Arbeitsverhältnisse der beiden Kläger fristlos.

Die Kläger hielten die Kündigungen für unwirksam und verlangten, weiterbeschäftigt zu werden. Die Auswertung des Telefonverhaltens sei unzulässig und nicht von einer Dienstvereinbarung gedeckt gewesen. Auch fehle es an einer Abmahnung. Ebenso sei eine vor Ausspruch der Kündigung notwendige Anhörung der Kläger nicht erfolgt. Das Telefonverhalten sei allenfalls als unterdurchschnittliche Leistung zu bewerten. Ein Arbeitszeitbetrug liege nicht vor. Die Arbeitgeberin habe das Verhalten der Kläger lediglich wegen ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft ausgewertet und ihnen ausschließlich aus diesem Grund gekündigt.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven erachtete die fristlosen Kündigungen für wirksam. Die Telefoniezeiten der Kläger ließen auf eine vorsätzliche vertragswidrige Vernachlässigung der Arbeitspflicht schließen. Der erbrachte Umfang könne durch eine bloße Minderleistung nicht erklärt werden. Die Arbeitgeberin habe, dies nach Abzug u.a. von Nachbearbeitungszeiten und Bildschirmarbeitspausen, Telefoniezeiten im Umfang von 60% der dienstplanmäßigen Arbeitszeit an einem Tag erwartet.

Die Kläger hätten an bestimmten einzelnen Tagen jedoch lediglich Telefoniezeiten zwischen 30 und 35% bzw. zwischen 16 und 33% aufgewiesen. Zwar sei nach einer Dienstvereinbarung die Auswertung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Arbeitnehmern untersagt. Allerdings habe der Personalrat den Auswertungen zuvor jeweils ausdrücklich zugestimmt. Ob die Daten rechtswidrig gewonnen waren, habe das Gericht daher offenlassen können.

Der Rechtsprechung des BAG zufolge seien Daten, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen, selbst dann verwertbar, wenn die Gewinnung der Daten nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts stehe. Auch den Kündigungen habe der Personalrat zuvor jeweils ausdrücklich zugestimmt. Für eine Kausalität zwischen Gewerkschaftsmitgliedschaft und den ausgesprochenen Kündigungen bestünden keine Anhaltspunkte.

Hinweise für die Praxis

Kündigungen aufgrund von „Low-Performance“ von Arbeitnehmern begegnen in der Praxis hohen Hürden. Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven für welche bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, können insofern nicht als „Blaupause“ fungieren. Denn der Grundsatz des BAG, wonach der Arbeitnehmer tun muss, was er soll, und dies „nur“ so gut, wie er eben kann (vgl. BAG 17.01.2018 – 2 AZR 536/06) zwingt Arbeitgeber vor dem Ergreifen arbeitsrechtlicher Maßnahmen daher auch bei vermeintlich offensichtlichen Minderleistungen stets zur detaillierten Sachverhaltsaufklärung.

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