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Die Frist für den Widerspruch gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses aufgrund Betriebsübergangs beginnt bei einem Fehler im Unterrichtungsschreiben auch dann, wenn dieser für den Willensbildungsprozess des Arbeitnehmers ohne Belang ist

Die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB beginnt auch dann zu laufen, wenn in einem Unterrichtungsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB zwar ein Fehler enthalten ist, dieser aber für den Willensbildungsprozess eines Arbeitnehmers dazu, ob er einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widerspricht, regelmäßig ohne Belang ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 21.03.2024 – 2 AZR 79/23).

Sachverhalt

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der klagende Arbeitnehmer verlangt die Weiterbeschäftigung bei seinem bisherigen Arbeitgeber nach einem Betriebsübergang, obwohl er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses erst nach Ablauf der Monatsfrist widersprochen hatte.

Der Kläger war bei der Beklagten beschäftigt, die u.a. in R und D ein Entwicklungszentrum betrieb. Die Beklagte und die S-GmbH schlossen Ende 2018/Anfang 2019 eine Vereinbarung (sog. Master Asset Purchase Agreement) zur Übernahme eines Teils des Entwicklungszentrums. Vor dem Hintergrund der Vereinbarungen mit der S-GmbH ergriff die Beklagte personelle und organisatorische Maßnahmen und baute in R bzw. D eine darauf bezogene Organisation auf, die auf die S-GmbH übergehen sollte. Sie versetzte den Kläger am 26.07.2019 in die betriebliche Einheit, die auf die S-GmbH übergehen sollte.

Mit Schreiben vom 25.07.2019 wurde der Kläger über den geplanten Betriebsübergang auf die S-GmbH zum 30.08.2019 informiert. Mit Schreiben vom 19.08.2019 teilte der Kläger mit, dass er der Versetzung nur unter Vorbehalt nachkomme und die Wirksamkeit gerichtlich überprüfen lasse. Am 30.08.2019 veräußerte die Beklagte die Wirtschaftsgüter, übertrug die betriebliche Leitungsmacht auf die S-GmbH und führte die Arbeitsorganisation ohne wesentliche Änderungen fort. In der Folgezeit arbeitete der Kläger für die S-GmbH. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die S-GmbH im November 2020.

Gegen die Versetzung und den Übergang seines Arbeitsverhältnisses wehrte sich der Kläger mit einer Klage von September 2020, mit der er die Weiterbeschäftigung bei seinem bisherigen Arbeitgeber geltend macht. Er meint, er stehe weiterhin in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, da sein Arbeitsverhältnis der übergegangenen Einheit nicht zuzuordnen gewesen sei, die Versetzung sei rechtswidrig gewesen. Auch sei das Unterrichtungsschreiben fehlerhaft gewesen, sodass er einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auch noch nach Ablauf der Frist von einem Monat nach Unterrichtung habe wirksam widersprechen können.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) verwies den Rechtsstreit an das LAG zurück. Es konnte aufgrund fehlender tatrichterlicher Feststellungen nicht abschließend über die Anträge des Klägers entscheiden.

Entgegen der Ansicht des LAG hatte der Kläger sein Recht nicht verwirkt, sich gegen die Versetzung zu wehren. Da das LAG nicht den Inhalt des Arbeitsvertrags, die vormals ausgeübte Tätigkeit, deren räumliche und inhaltliche Ausgestaltung oder die nach der Versetzungsanordnung ausgeübte Tätigkeit festgestellt hatte, konnte das BAG nicht über die Wirksamkeit der Versetzung abschließend entscheiden. Vor der Zurückweisung prüfte das BAG weiter, ob das Arbeitsverhältnis evtl. unabhängig von der angegriffenen Versetzung deshalb nicht auf die S-GmbH übergegangen war, weil der Kläger wirksam dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hatte.

Das BAG bestätigte zunächst, dass eine sog. wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit vorgelegen hatte, die bereits vor dem Übergang über eine ausreichende funktionelle Selbständigkeit verfügte. Es sei dabei rechtlich ohne Belang gewesen, dass die Beklagte den Betriebsteil, der übergehen sollte, als wirtschaftliche Einheit erst ca. einen Monat vor seinem Übergang durch eine Aufteilung und Untergliederung des Entwicklungszentrums geschaffen habe. Es lägen keine Umstände vor, die auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten schließen lasse.

Die Versetzung in eine übergangsfähige Einheit sei allein wegen des Betriebsübergangs nicht unwirksam gewesen. Eine analoge Anwendung von § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB scheide aus, da der Arbeitnehmer dem Übergang widersprechen konnte. Eine Unwirksamkeit komme evtl. dann in Betracht, wenn wegen einer vorangegangenen Zuordnungsentscheidung ein Arbeitnehmer nicht von einem Betriebs(teil)übergang betroffen ist und in einem wirtschaftlich nicht lebensfähigen Restbetrieb verbleibe.

Der Widerspruch des Klägers erfolgte jedenfalls zu spät, er hatte die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht beachtet. Das BAG führte hierzu aus, das Widerspruchsrecht nach stehe in einem wechselseitigen Bezug zur Unterrichtungspflicht – die Unterrichtung sei deshalb teleologisch auf das Widerspruchsrecht ausgerichtet. Die Unterrichtung solle einen Arbeitnehmer in die Lage versetzen, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebs(teil)inhaber widersprechen wolle. Der Arbeitnehmer sei deshalb so zu informieren, dass dieser sich über den Gegenstand des Betriebs(teil)übergangs und die Person des Übernehmers sowie über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“ könne.

Das BAG bestätigte, dass maßgebend für den Inhalt der Unterrichtung der Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung ist. Genüge die Unterrichtung dabei formal den gesetzlichen Anforderungen und sei sie nicht offensichtlich fehlerhaft, so sei es Sache des Arbeitnehmers, einen behaupteten Mangel näher darzulegen. Eine offensichtlich fehlerhafte und damit unzureichende Unterrichtung liege nur dann vor, wenn sie über die Person des Betriebserwerbers und/oder in Bezug auf einen in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstand fehle bzw. unverständlich oder auf den ersten Blick mangelhaft sei.

Das BAG führte aus, dass an den Inhalt der Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs keine im praktischen Leben kaum erfüllbaren Anforderungen dahingehend gestellt werden, dass das Unterrichtungsschreiben „keinen juristischen Fehler“ enthalten darf. Der Beginn der Widerspruchsfrist schließe sich zwar grundsätzlich an eine ordnungsgemäße Unterrichtung an. Da die Unterrichtung auf das Widerspruchsrecht ausgerichtet sei, führe ein Fehler, der für den Willensbildungsprozess eines Arbeitnehmers, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widerspricht, regelmäßig ohne Belang ist, nicht dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt.

Ein ungenau formulierter Hinweis, dass nach dem Betriebsübergang Flex-Konten tarifvertraglich eingerichtet „werden“, obwohl dies im Belieben der Betriebsparteien steht, sei z.B. für den Willensbildungsprozess regelmäßig ohne Belang.

Das BAG stellte klar, dass die gesetzliche Informationspflicht keine Pflicht zur umfassenden Rechtsberatung darstelle. Der Inhalt der Unterrichtung solle den Arbeitnehmer nicht über alle ihn möglicherweise treffenden individuellen Folgen des Betriebsübergangs informieren. Die Rüge des Klägers, ihm hätte als juristischem Laien auch erklärt werden müssen, wann ein Anspruch „entsteht“ und wann er „fällig“ wird, gehe deswegen fehl.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes ist für die Praxis wichtig.

Nicht jeder Fehler oder jede Ungenauigkeit in einem Unterrichtungsschreiben müssen dazu führen, dass die Frist für den Widerspruch nicht zu laufen beginnt. Klagt ein Arbeitnehmer nach Ablauf der Widerspruchsfrist, kann ein Arbeitgeber, der evtl. einen Fehler im Unterrichtungsschreiben gemacht hat, gestützt auf die Entscheidung des BAG zumindest argumentieren, dass der Fehler für die Widerspruchsentscheidung ohne Belang bzw. nicht ursächlich war. Die Entscheidung ist aber alles anderes als ein Freifahrtschein für Arbeitgeber, bei der Erstellung nicht höchste Sorgfalt anzuwenden. Die Frage, ob ein Fehler (wirklich) keinen Belang für die Entscheidung eines Arbeitnehmers hatte, ist nicht einfach und kann auch nicht pauschal beantworten werden. Damit werden sich Arbeitsgerichte voraussichtlich in Zukunft vermehrt auseinandersetzen müssen. Der Grat, auf dem Arbeitgeber laufen, die später argumentieren (müssen), ein evtl. Fehler sei für den Willensbildungsprozess belanglos gewesen bzw. im Unterrichtungsschreiben sei eine vertretbare Rechtsansicht dargestellt worden, ist schmal. Arbeitgebern muss deshalb weiterhin empfohlen werden, bei der Erstellung eines Unterrichtungsschreibens den Sachverhalt sehr sorgfältig zu ermitteln und Rechtsfolgen möglichst auf Basis der Rechtsprechung des BAG oder einer herrschenden Meinung darzustellen.

Das BAG hat bestätigt, dass die erstmalige Bildung einer neuen wirtschaftlichen Einheit im Vorgriff und zum Zwecke des folgenden Betriebs(teil)übergangs möglich ist. Vom Grundsatz her können auch Arbeitnehmer in eine neue wirtschaftliche Einheit versetzt werden, wenn dies das Direktionsrecht zulässt. Arbeitnehmer können die Versetzung angreifen. Sollte das LAG im weiteren Verlauf des Prozesses feststellen, dass bereits die Versetzung unwirksam war, weil diese z.B. nicht billigem Ermessen entsprochen hatte, müsste voraussichtlich der bisherige Arbeitgeber den Arbeitnehmer dann doch wieder weiter beschäftigen, obwohl die Frist zum Widerspruch bereits seit langem abgelaufen war.

Das BAG bestätigte mit der Entscheidung auch die Rechtsprechung zur Darlegungslast für Fehler in einem Unterrichtungsschreiben. Arbeitnehmer dürfen deshalb nicht nur pauschal rügen, dass ein Unterrichtungsschreiben fehlerhaft ist. Sie müssen vielmehr den behaupteten Mangel näher darlegen, sinnvollerweise auch, dass dieser für sie von Belang war – erst dann muss ein Arbeitgeber sich hierauf einlassen.

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