Digitale Bewerbungsunterlagen sind für Unterrichtung des Betriebsrates bei Einstellungen ausreichend
Der Arbeitgeber genügt bei einem digitalen Bewerbungsprozess seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat, wenn er den Betriebsratsmitgliedern ein auf die im Softwareprogramm hinterlegten Bewerbungsunterlagen bezogenes – mithilfe von zur Verfügung gestellten Laptops jederzeit nutzbares – Einsichtsrecht gewährt und die Möglichkeit besteht, Notizen anzufertigen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG)nmit Beschluss vom 13.12.2023 – 1 ABR 28/22 entschieden.
Sachverhalt
Dem Beschluss des BAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Arbeitgeberin schrieb im Frühjahr 2021 die Stelle eines „Prozess- und Projektspezialisten Technik“ aus, auf welche 33 externe Bewerbungen eingingen. Die „Bewerbungsunterlagen“ wurden im Programm „Recruiting“ hinterlegt. Dieses Softwareprogramm verwaltet u.a. Stellenausschreibungen und enthält ein internes und externes Bewerberportal. Den Mitgliedern des Betriebsrats steht hierbei ein Einsichtsrecht in „Datenfelder“ des Programms zu, so dass sie u.a. die persönlichen Angaben des Bewerbers, sein „Anschreiben“ und seinen Lebenslauf sowie etwaige Zeugnisse und Zertifikate erhalten. Dabei verfügen die Betriebsratsmitglieder über Laptops, die sie für ihre Betriebsratstätigkeit nutzen können.
Nachdem die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zu einer beabsichtigten Einstellung eines Bewerbers bat, verweigerte dieser die Zustimmung zu der geplanten Einstellung. Zur Begründung führte der Betriebsrat aus, dass er nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden sei, da ihm die „Bewerbungsunterlagen“ in Papierform hätten vorgelegt werden müssen.
Nachdem bereits die Vorinstanzen dem Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung entsprachen, gab nunmehr auch das BAG der Arbeitgeberin Recht.
Entscheidungsgründe
Das BAG stellte klar, dass vorliegend die Arbeitgeberin ihrer Verpflichtung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nachgekommen sei, dem Betriebsrat die erforderlichen „Bewerbungsunterlagen“ vorzulegen. Denn die Betriebsratsmitglieder hätten mithilfe der zur Verfügung stehenden Laptops jederzeit in die im Programm hinterlegten Anschreiben und Lebensläufe sowie – sofern übermittelt – Zeugnisse und Zertifikate der insgesamt 33 externen Bewerber um die Stelle eines „Prozess- und Projektspezialisten Technik“ einsehen können.
Die Arbeitgeberin sei auch nicht gehalten gewesen, dem Betriebsrat die „Bewerbungsunterlagen“ der Interessenten in Papierform vorzulegen. Dies ergebe die Auslegung von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Es sei ausreichend, wenn der Arbeitgeber den Mitgliedern des Betriebsrats für die Dauer des Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG ein auf die digital vorhandenen „Bewerbungsunterlagen“ aller Interessenten bezogenes Einsichts- und Leserecht gewähre. Denn damit habe der Betriebsrat die Möglichkeit, sich diejenigen Informationen zu verschaffen, die er benötigt, um eine Stellungnahme nach § 99 Abs. 2 BetrVG abgeben zu können.
Hinweise für die Praxis
Das Urteil des BAG ist von erheblicher Praxisrelevanz, da immer mehr Unternehmen von digitalen Bewerbungsprozessen Gebrauch machen. Damit sich der Arbeitgeber darauf berufen kann, dass er den Betriebsrat bei der Einstellung ordnungsgemäß unterrichtet hat, genügt es, dass er dem Betriebsrat die erforderliche technische Ausstattung wie einen Laptop zur Verfügung gestellt hat und sich dieser Notizen wie z.B. einen Screenshot machen kann. Hierdurch wird das vom BAG geforderte digitale Einsichts- und Leserecht gewahrt. Letztlich ist dies auch sachgerecht, denn wenn der Arbeitgeber nur auf digitale Bewerbungsunterlagen zugreifen kann, kann für den Betriebsrat nichts anderes gelten.
13. Mai 2024