Betriebsratswahl bei Tesla darf stattfinden
Die bereits eingeleitete Betriebsratswahl bei der Tesla Manufacturing Brandenburg SE im März 2024 ist nicht abzubrechen. Ein Abbruch der Wahl im gerichtlichen Eilverfahren ist nur dann veranlasst, wenn deren Nichtigkeit absehbar ist (LAG Berlin-Brandenburg v. 06.03.2024 – 11 TaBVGa 135/24).
Sachverhalt
Der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In der Tesla Gigafactory in Grünheide wurde am 28.02.2022 erstmalig ein Betriebsrat gewählt, der bei damals rund 2.300 Beschäftigten aus 19 Betriebsratsmitgliedern bestand. Anfang Januar 2024 war die Zahl der Beschäftigten auf rund 12.500 angestiegen. Nach der gesetzlichen Regelung ist ein Betriebsrat vor Ablauf der regelmäßig vierjährigen Amtszeit neu zu wählen, wenn mit Ablauf von 24 Monaten ab dem Tag der Wahl die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer erheblich – um die Hälfte, mindestens aber um 50 Personen – gestiegen oder gesunken ist (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Der im Februar 2022 gewählte Betriebsrat bestellte Anfang Januar 2024 einen Wahlvorstand zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl eines neuen Betriebsrats mit 39 Mitgliedern. Vom 29.01.2024 bis zum 11.02.2024 fand aufgrund von Zulieferproblemen kein Produktionsbetrieb bei Tesla statt. Der Wahlvorstand erließ am 01.02.2024 ein Wahlausschreiben, forderte die Beschäftigten zur Abgabe von Vorschlagslisten bis zum 15.02.2024 auf und lud sie zur Betriebsratswahl Mitte März ein.
Gegen die Durchführung dieser Betriebsratswahl wandte sich die IG Metall als im Betrieb vertretene Gewerkschaft mit der Begründung, die Wahl sei zwingend nichtig und deshalb abzubrechen. Dies folge vor allem daraus, dass der Zeitraum von 24 Monaten ab dem vorausgegangenen Wahltag am 28.02.2022 nicht abgewartet worden sei. Der Wahlvorstand hätte aus Sicht der Gewerkschaft erst ab dem 29.02.2024 bestellt werden dürfen. Durch die verfrühte Einleitung der Wahl hätten die Beschäftigten wegen des Produktionsstopps Anfang Februar 2024 außerdem nicht ausreichend Gelegenheit zur Aufstellung von Vorschlagslisten gehabt. Der Wahlvorstand und die Tesla Manufacturing Brandenburg SE als Arbeitgeberin gehen davon aus, dass es für den gesetzlich geregelten Zeitraum von 24 Monaten darauf ankomme, dass die Wahl selbst erst danach durchgeführt werde, während Maßnahmen zur Vorbereitung der Wahl schon vor Ablauf der Frist zulässig seien. Vorschlagslisten seien ungeachtet des Produktionsstopps eingereicht worden. Ein etwaiger Verstoß gegen die gesetzliche Regelung sei jedenfalls nicht so schwerwiegend, dass eine Nichtigkeit der Wahl anzunehmen sei.
Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) hatte mit Beschluss vom 13.02.2024 die weitere Durchführung der Betriebsratswahl untersagt und bestimmt, dass die Neuwahl erst ab dem 29.02.2024 eingeleitet werden dürfe. Die gesetzliche Frist von 24 Monaten müsse zwingend abgewartet werden. Ein Verstoß dagegen führe zur Nichtigkeit der Wahl mit der Folge, dass die Wahl abzubrechen sei.
Entscheidungsgründe
Das Landesarbeitsgericht hat indes am 06.03.2024 entschieden, dass die bereits eingeleitete Wahl nicht abzubrechen sei. Ein Abbruch der Wahl im gerichtlichen Eilverfahren sei nur dann veranlasst, wenn deren Nichtigkeit absehbar sei. Zwar liege ein Verstoß gegen die gesetzliche Fristenregelung vor. Dieser Verstoß und weitere gerügte Verstöße seien jedoch nicht so schwerwiegend, dass von der Nichtigkeit der Wahl auszugehen sei. Eine mögliche Anfechtbarkeit der Wahl genüge für einen Abbruch nicht. Nach Durchführung der Wahl könne deren Wirksamkeit im Einzelnen gerichtlich geprüft werden, falls ein Wahlanfechtungsverfahren eingeleitet werde. Soweit die Gewerkschaft im Beschwerdeverfahren auch Korrekturen des Wahlverfahrens durchsetzen wollte, hatte sie damit keinen Erfolg. Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sei für die Anordnung solcher Korrekturen im gerichtlichen Eilverfahren auf Wahlabbruch jedenfalls dann kein Raum, wenn durch Korrekturen bereits vorhandene Fehler des Wahlverfahrens nicht mehr beeinflusst werden könnten. Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im einstweiligen Rechtsschutz ist kein Rechtsmittel gegeben.
Hinweis für die Praxis
Nur im Falle eines oder zahlreicher besonders schwerwiegender Verstöße gegen die Wahlvorschriften kann eine Betriebsratswahl ausnahmsweise auch von vornherein nichtig sein. Der Betriebsrat bleibt im Falle einer wesentlichen Änderung der Belegschaftsstärke bis zur Wahl des neuen Betriebsrats mit allen Rechten und Pflichten im Amt. Er hat allerdings zur Durchführung von Neuwahlen unverzüglich den Wahlvorstand zu bestellen. Unterlässt der Betriebsrat die Bestellung eines Wahlvorstands, stellt dies eine grobe Pflichtverletzung iSd. § 23 Abs. 1 BetrVG dar, wenn der Verzögerung nicht besondere sachliche Gründe zugrunde liegen, die einer sofortigen Bestellung des Wahlvorstands entgegenstehen. Daher war der Betriebsrat hier in der Pflicht. Herrschende Meinung ist allerdings, dass der Stichtag für die Feststellung der Belegschaftsstärke erst nach Ablauf der 24 Monate liegt. Da vorliegend die Belegschaft aber so erheblich gewachsen war, dass die Voraussetzungen in jedem Fall zum Wahltag vorgelegen haben, hat das LAG diesen Punkt – jedenfalls in der Pressemitteilung – nicht thematisiert. In anderen Betrieben, in denen dieser Punkt nicht so ohne Weiteres klar feststeht, wird es empfehlenswert sein, den Wahlvorstand nicht zu früh zu bestellen.
19. März 2024