oliver ehrmann gesellschaftsrecht p.jpgyusuf yildirim steuerrecht p.jpg

Steuerrecht: Bundesfinanzhof verhandelt über die Besteuerung von Kryptocoins: Sind Bitcoin und Co. Wirtschaftsgüter?

Mit großer Spannung sehen Steuerpflichtige und Krypto-Anleger einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH – IX R 3/22) zur Besteuerung der Kryptowährungen Bitcoin, Ethereum und Monero entgegen. In dem Verfahren vor dem BFH soll die Frage geklärt werden, ob Gewinne aus der Veräußerung von Kryptocoins der Besteuerung als „private Veräußerungsgeschäfte“ unterliegen. In diesem Fall wäre eine Veräußerung innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung einkommensteuerpflichtig. Am 14.02.2023 fand vor dem IX. Senat die mündliche Verhandlung statt.

1. Bisherige Diskussion um Besteuerung von Kryptocoins

Erstmals in seiner Geschichte befasst sich der BFH nun mit der Besteuerung von Kryptowährungen. Grundsätzlich geht es um die Frage, ob Bitcoin und Co. überhaupt als Wirtschaftsgüter gelten und damit steuerrechtlich relevant sind.

Im Vordergrund dürfte für Steuerpflichtige im Rahmen ihrer Anlagestrategie die Veräußerung von Bitcoin und Co. stehen. Bei einer Wertsteigerung oder einem Wertverlust aus Kryptowährungen kommen grundsätzlich nur Einkünfte aus sog. „privaten Veräußerungsgeschäften“ im Zusammenhang mit „anderen Wirtschaftsgütern“ in Betracht. Diese sind nur einkommensteuerbar, wenn zwischen Erwerb und Veräußerung weniger als ein Jahr liegt. Insbesondere liegen keine Einkünfte aus Kapitalvermögen vor, sodass der persönliche Steuersatz von bis zu 47,5 % und nicht die Abgeltungsteuer i.H.v. 26,4 % zur Anwendung kommt. Es findet dementsprechend auch kein Steuerabzug an der Quelle statt, wie ihn bspw. Kreditinstitute bei der Kapitalertragsteuer vornehmen.

Die Finanzgerichte vertreten überwiegend die Auffassung, Kryptowährungen seien als (immaterielle) Wirtschaftsgüter zu qualifizieren, die bei Veräußerung mit Gewinn zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften führen (FG Berlin-Brandenburg vom 20.06.2019 – 13 V 13100/19; FG Baden-Württemberg vom 11.06.2021 – 5 K 1996/19; FG Köln vom 25.11.2021 – 14 K 1178/20). Allein das FG Nürnberg bekundet bislang Zweifel daran, dass es sich bei Kryptowährungen um Wirtschaftsgüter handeln soll (FG Nürnberg vom 08.04.2020 – 3 V 1239/19).

Der Begriff des Wirtschaftsgutes umfasst nach der Definition durch den BFH neben Sachen und Rechten auch sonstigen Vorteile, d.h. tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung ein Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung stellen Einheiten virtueller Währungen (Bitcoin und Co.) immaterielle Wirtschaftsgüter dar (BMF-Schreiben vom 10.05.2022). Demnach vermitteln virtuelle Währungen die Möglichkeit, die dem eigenen öffentlichen Schlüssel zugewiesenen vermögenswerten Vorteile einem anderen öffentlichen Schlüssel zuzuweisen.

Auch die steuerliche Literatur hat die Wirtschaftsgutqualität von Kryptowährungen bislang bejaht (Ratschow in Brandis/Heuermann, EStG, Stand November 2022, § 23 Rn. 66; Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 23 Rn. 26; Trossen in BeckOK EStG, Stand 01.10.2022, § 23 Rn. 199.6).

2. Aktuelles Verfahren vor dem BFH

Der Kläger und Revisionskläger investierte in den Veranlagungszeiträumen 2014 bis 2016 über die Plattform „bitcoin.de“ ca. 20.000 EUR in Bitcoin (BTC). Im streitgegenständlichen Zeitraum 2017 tauschte er die BTC teilweise in Ethereum (ETH). Die ETH tauschte er im Juni 2017 vollständig in Monero (XMR). Ende des Jahres 2017 tauschte er seine XMR teilweise wieder in BTC und veräußerte diese noch im gleichen Jahr. Für die Abwicklung der Geschäfte hatte der Kläger über digitale Handelsplattformen entweder Kaufverträge mit Anbietern bestimmter Kryptowährungen zu aktuellen Kursen oder Tauschverträge, bei denen er eigene Kryptowährungen als Gegenleistung eingesetzt hat, geschlossen.

Der Kläger erklärte den aus der Veräußerung erzielten Gewinn von rund 3,4 Millionen Euro in seiner Einkommensteuererklärung 2017 als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer erklärungsgemäß fest. Der Kläger legte erfolglos Einspruch ein und erhob Klage zum Finanzgericht Köln. Im Klageverfahren trug der Kläger im Wesentlichen vor, Kryptowährungen seien nicht als Wirtschaftsgüter im steuerrechtlichen Sinne zu qualifizieren. Im Übrigen fehle es beim bloßen Tausch „virtueller“ Kryptowährungen untereinander bereits an einer Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; diese sei erst mit dem Tausch in eine FIAT-Währung eingetreten. Ferner bestehe bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Kryptowährungen ein „strukturelles Vollzugsdefizit“, weshalb eine Besteuerung verfassungswidrig wäre (Was der Kläger damit meint: Ehrliche Steuerzahler, die ihre Gewinne aus dem Kryptohandel in der Einkommensteuererklärung angeben, würden benachteiligt, weil viele andere dies nicht täten und deswegen kaum belangt würden).

Dem folgte das Finanzgericht Köln nicht und wies die Klage ab. Ein strukturelles Vollzugsdefizit liege nicht vor. Dieses werde insbesondere nicht durch die anonyme Veräußerung begründet. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor. Bei den Kryptowährungen handele es sich um „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die vom Kläger gehandelten Kryptowährungen seien verkehrsfähig und selbstständig bewertbar. Zudem bestehe eine strukturelle Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen.

Gegen dieses Urteil hatte der Kläger nun Revision beim BFH eingelegt.

3. Mündliche Verhandlung beim BFH am 14.02.2023 und Ausblick

In der mündlichen Verhandlung ließen sich die Richter des BFH noch nicht in die Karten schauen, in welche Richtung sie tendieren.

Der BFH muss neben der Grundsatzfrage der Wirtschaftsgutsqualität von Kryptowährungen auch die zivilrechtliche Eigentumsposition an diesen klären. Der Kläger führte nämlich aus, dass es sich bei Kryptowährungen um bloße Nummernfolgen („Signaturketten“) ohne intrinsischen Wert handle. Die Signaturketten verschafften lediglich eine Zugriffsmöglichkeit, welche aber jederzeit wegfallen könne.

Außerdem muss der BFH darüber entscheiden, ob ein strukturelles Vollzugsdefizit vorliegt. Damals sei das Thema „Kryptowährungen“ vollkommen neu und der Finanzverwaltung weitgehend unbekannt gewesen. Ohne die Mitwirkung der Steuerpflichtigen wäre eine Erhebung der Steuer nicht möglich. Bejaht der BFH ein solches, könnte dies zur Verfassungswidrigkeit und damit zur Steuerfreiheit führen. Dies gilt aber nur für Zeiträume, in denen ein solches Vollzugsdefizit anzunehmen ist; spätestens mit Veröffentlichung des hierzu ergangenen BMF-Schreibens dürfte das höchst fraglich sein.

Das Urteil wird mit Spannung erwartet, hatten doch viele Krypto-Anleger mit Verweis auf das BFH-Verfahren Einspruch gegen ihren Steuerbescheid eingelegt. Weist der BFH die Revision als unbegründet zurück, bleibt es beim Urteil des Finanzgerichts Köln und damit bei der Besteuerung der Gewinne des Klägers als private Veräußerungsgeschäfte.

Über die Entscheidung des BFH werden wir Sie auf dem Laufenden halten.

4. Praxishinweis

Für die Praxis bedeutet dies Folgendes:

  • Gewinne und Verluste aus dem Kryptohandel sollten derzeit angesichts der klaren Stellungnahmen der Finanzverwaltung sicherheitshalber als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erklärt werden.
  • Andernfalls besteht das Risiko, dass die Nicht-Erklärung als Steuerhinterziehung verfolgt wird.
  • Gegen die hierzu ergehenden Einkommenssteuerbescheide sollte Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens wegen der Anhängigkeit beim BFH beantragt werden.

Kontakt > mehr