
Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und Zulieferern – Veröffentlichung der Handreichung
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat am 16.08.2023 die für KMU sehr hilfreiche Handreichung „Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern“ veröffentlicht.
Sachverhalt
Das LkSG gilt seit dem 01.01.2023 für Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigen Sitz oder Zweigniederlassung im Sinne von §13d HGB in Deutschland haben und mindestens 3000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Ab dem 01.01.2024 wird der Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer in Deutschland abgesenkt.
Das BAFA veröffentlicht gemäß § 20 LKSG sogenannte „Handreichungen“, die Informationen, Hilfestellungen und Empfehlungen zur Einhaltung des Gesetzes beinhalten. Diese sind mit den fachlich betroffenen Behörden abgestimmt. So wurden bereits die Handreichung zur Risikoanalyse „Risiken ermitteln, gewichten und priorisieren“, die Handreichung zum Beschwerdeverfahren im Unternehmen „Beschwerdeverfahren organisieren, umsetzen und evaluieren“ und die Handreichung zum Prinzip der Angemessenheit nach den Vorgaben des LkSG veröffentlicht.
Die nun veröffentlichte Handreichung zur Zusammenarbeit in der Lieferkette zeigt, wie sich das LkSG auf nicht-verpflichtete Unternehmen auswirkt, die als Zulieferer in der Lieferkette fungieren und nun mit Vereinbarungen zur Einhaltung von Sorgfaltsplichten in der Lieferkette konfrontiert werden, obwohl das LkSG auf sie formal nicht anwendbar ist.
Die Handreichung enthält Hinweise zu der bei den Zulieferern und - unter bestimmten Voraussetzungen - bei mittelbaren Zulieferern erfolgenden, sog. „anlassbezogenen“ Risikobewertung, zu Präventionsmaßnahmen und zu Abhilfemaßnahmen. Es werden aber auch die Grenzen der Inanspruchnahme von Zulieferern durch verpflichtete Unternehmen aufgezeigt. So sind die Prinzipien der Angemessenheit und Wirksamkeit bei der vertraglichen Ausgestaltung der Zusammenarbeit zu beachten. Unzulässig soll es sein, wenn verpflichtete Unternehmen ihre Pflichten auf KMU als Zulieferer versuchen abzuwälzen. In einem solchen Fall sei mit Kontrollmaßnahmen des BAFA zu rechnen. Zulieferern wird empfohlen, einem verpflichteten Unternehmen nicht vertraglich pauschal zuzusichern oder zu gewährleisten, dass alle Pflichten aus dem LkSG erfüllt werden, etwa mit Formulierungen wie „in der Lieferkette alle Menschenrechte einzuhalten“. In der Handreichung wird darauf hingewiesen, dass dies gegen das LkSG verstoßen könnte, weil verpflichtete Unternehmen eine angemessene Risikoanalyse nicht pauschal durch den Verweis auf vertragliche Zusicherungen oder entsprechende Bescheinigungen risikofreier Lieferketten von Zulieferern ersetzen können. In der Handreichung sind auch Negativbeispiele enthalten, etwa ein Auszug aus einem (unangemessenen) Lieferantenkodex zwischen dem verpflichteten Unternehmen und dem nicht-verpflichteten Zulieferer.
Von der Verwendung von umfangreichen, standardisierten Fragebögen der verpflichteten Unternehmen gegenüber den Zulieferern wird abgeraten. Um überzogene Forderungen gegenüber den KMU zu vermeiden, sollten verpflichtete Unternehmen zunächst in einer abstrakten Risikobetrachtung das Risikoprofil der unmittelbaren Zulieferer ermitteln, da nicht in jedem KMU menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken eine Rolle spielen. Die Handreichung enthält konkrete Handlungsempfehlungen für KMU, wenn verpflichtete Unternehmen über Gebühr Auskünfte von diesen oder eine Kostenbeteiligung bei der Durchführung von Abhilfemaßnahmen verlangen. Wenn nichts mehr geht, so wird KMU eine individuelle Rechtsberatung empfohlen, um festzustellen, ob die Forderungen der verpflichteten Unternehmen vertragsrechtlich zulässig sind.
Ausblick
Die Handreichung ist vor allem für KMU eine Hilfestellung bei der vertraglichen Ausgestaltung von Vereinbarungen bezüglich der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. Auch wenn nicht-verpflichtete Lieferanten formal nicht zu einer sorgfaltsbezogenen Zusammenarbeit verpflichtet sind, müssen sie de facto mit den verpflichteten Unternehmen kooperieren, wenn sie nicht ihre Geschäftsbeziehung gefährden wollen. Dass die Zulieferer dabei nicht tonangebend sind, sondern die zahlreichen Forderungen der verpflichteten Unternehmen hinzunehmen haben, ist offensichtlich. Eine frühere Veröffentlichung der Handreichung wäre wünschenswert gewesen, da sehr deutlich wird, welche vertraglichen Regelungen nach Ansicht des BAFA gegen das LkSG verstoßen. Die Hinweise und Empfehlungen in der Handreichung verbessern die Verhandlungsposition für Zulieferer gegenüber verpflichteten Unternehmen erheblich. Und ob die ein oder andere Klausel in den bereits geschlossenen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in der Lieferkette wirklich zulässig ist, dürfte nach der Veröffentlichung der Handreichung nun noch zweifelhafter sein.
22. August 2023