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Persönliche Haftung eines GbR-Gesellschafters nach Rechtsscheingrundsätzen in der Insolvenz

Grundsätzlich kann im Insolvenzverfahren einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nur der Insolvenzverwalter Haftungsansprüche gegenüber den Gesellschaftern geltend machen. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Gesellschafter gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger den Anschein erweckt hat, er stehe für die Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich ein. In diesem Fall kann ein Gesellschaftsgläubiger – trotz der Durchsetzungssperre des § 93 InsO – den Anspruch selbst gegenüber dem Gesellschafter einklagen. Das ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG).

Sachverhalt

Dem Urteil des OLG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin hatte mit der später insolventen GbR einen Leasingvertrag geschlossen. Im Leasingvertrag wurde die GbR als „Einzelfirma“ bezeichnet. Vier Jahre zuvor hatte die Klägerin bereits mit der nun beklagten GbR-Gesellschafterin (Beklagte) als Einzelunternehmerin einen Leasingvertrag geschlossen. Die Klägerin verlangt nun von der Beklagten als GbR-Gesellschafterin persönlich die Zahlung der noch offenen Forderungen aus dem Leasingvertrag. Die Beklagte weist die Ansprüche zurück, da aufgrund des Insolvenzverfahrens bei der GbR nur der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung von Gesellschaftsverbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern berechtigt sei (§ 93 InsO).

Die Entscheidung des OLG Stuttgarts vom 04.07.2023, Az. 6 U 92/20

Das OLG Stuttgart hat der Klage stattgegeben. Zwar bestimme § 93 InsO, dass während des Insolvenzverfahrens einer Gesellschaft, Ansprüche gegen die Gesellschafter nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden können (sog. Durchsetzungssperre). Allerdings könne sich die Beklagte ausnahmsweise nicht auf diese Durchsetzungssperre berufen, da sie nach Rechtsscheingrundsätzen persönlich für die Erfüllung des Leasingvertrags einzustehen habe. Indem die Beklagte das Unternehmen in dem Vertrag als „Einzelfirma“ bezeichnete, habe diese zurechenbar den Rechtsschein gesetzt, sie selbst sei als Einzelunternehmerin Inhaberin des Unternehmens und damit Vertragspartnerin. Hinzu käme, dass die Beklagte bereits einige Jahre zuvor einen Vertrag mit der Klägerin als Einzelunternehmerin geschlossen hatte. Ohne Hinweis auf die geänderte Rechtsform des Unternehmens dürfe die Klägerin davon ausgehen, dass sich daran nichts geändert hat. Die Beklagte hafte damit eigenständig neben der Gesellschaft und könne einer hieraus resultierenden Inanspruchnahme auch nicht die Durchsetzungssperre des § 93 InsO entgegenhalten. Denn für eine eigenständig begründete Rechtsscheinhaftung eines Gesellschafters gelte § 93 InsO nicht.

Praxishinweis

Insolvenzverfahren dienen der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Um dieses Ziel zu erreichen, können in einem Insolvenzverfahren auch Ansprüche gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern nicht von den einzelnen Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden. Diese werden vielmehr gebündelt (für alle Gläubiger) vom Insolvenzverwalter eingetrieben (sog. Durchsetzungssperre des § 93 InsO). Diese Durchsetzungssperre für die einzelnen Gläubiger gilt jedoch nur für Verbindlichkeiten der insolventen Gesellschaft, für die die persönlich haftenden Gesellschafter einzustehen haben. Ansprüche, die direkt gegen einen Gesellschafter bestehen, sind nicht umfasst und können daher auch vom einzelnen Gläubiger gegenüber dem Gesellschafter eingeklagt werden. Ein solcher Fall war hier gegeben. Denn die handelnde Gesellschafterin hatte bei Vertragsschluss den Anschein erweckt, sie persönlich solle Vertragspartnerin sein. Diese Ungenauigkeit bei der Vertretung der Gesellschaft hat zur persönlichen und direkten Haftung der Gesellschafterin geführt. Das Risiko der persönlichen Haftung des Handelnden besteht nicht nur bei einer GbR, sondern bei jeder Gesellschaftsform (z.B. GmbH, GmbH & Co. KG, usw.). Bei der Vertretung einer Gesellschaft sollte daher dringend darauf geachtet werden, dass allein die Gesellschaft (und nicht die handelnde Person) Vertragspartner wird. Um dies sicherzustellen, sollte immer der vollständige Name und der vollständige Rechtsformzusatz (z.B. GmbH, UG (haftungsbeschränkt), GmbH & Co. KG, usw.) der Gesellschaft angegeben werden.

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