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Informations- und Kontrollrecht des stillen Gesellschafters

Ein stiller Gesellschafter kann die Gesellschaft aus wichtigem Grund ohne vorherige Abmahnung kündigen, wenn ihm trotz vertraglich vereinbarten Informationsrechts beharrlich die Einsichtnahme verweigert wird. Dies folgt aus einem Urteil des OLG Hamm vom 01.02.2023 (Az.: 8 U 29/22).

Sachverhalt

Dem Urteil des OLG Hamm liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte hatte sich als stiller Gesellschafter am Unternehmen der klagenden GmbH beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag über die stille Gesellschaft wurde vereinbart, dass ein wichtiger Grund, der zur fristlosen Kündigung berechtigt, vorliegt, wenn ein Gesellschafter gegen seine Pflichten aus diesem Vertrag oder seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass dem stillen Gesellschafter Informations- und Kontrollrechte gemäß § 716 BGB „und zwar auch nach Beendigung in dem zur Überprüfung des Auseinandersetzungsguthabens erforderlichen Umfang“ zustehen.

Zu Beginn wurde dem stillen Gesellschafter Einblick in die Geschäftsverhältnisse gewährt. In der Folgezeit kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, die dazu führten, dass dem stillen Gesellschafter keine Informationen mehr zur Verfügung gestellt wurden. Dieser kündigte daraufhin die Gesellschaft aus wichtigem Grund, weil er seinen Informationsanspruch durch die beharrliche Weigerung der GmbH verletzt sah.

Die GmbH begehrte festzustellen, dass der Vertrag über die stille Gesellschaft fortbesteht. Das LG Dortmund wies die Klage ab. Hiergegen legte die Klägerin GmbH Berufung ein.

Die Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 01.02.2023 – Az.: 8 U 29/22)

Auch das OLG Hamm hielt die Kündigung des stillen Gesellschafters wegen der Verletzung seines Informationsrechts jedoch für wirksam.

Der Verstoß gegen die gesellschaftsrechtlichen Pflichten stelle einen wichtigen Kündigungsgrund dar. Die Vereinbarung weiterer „wichtiger Kündigungsgründe“ im Gesellschaftsvertrag neben den gesetzlichen Kündigungsgründen aus § 234 HGB i.V.m. § 723 Abs. 1 BGB sei zulässig. Die Parteien hätten nicht nur einfach auf § 723 Abs. 1 BGB verweisen, sondern erleichterte Kündigungsmöglichkeiten schaffen wollen. Das OLG Hamm erklärt dies unter anderem mit dem persönlichen Bezug zwischen den Beteiligten.

Einer vorherigen Abmahnung habe es nicht bedurft. § 314 Abs. 2 BGB, der eine solches Abmahnungserfordernis vorsieht, sei nicht anwendbar. Schon das gesetzliche Kündigungsrecht aus § 723 Abs. 1 BGB verdränge die Vorschrift als speziellere Regelung. Ein Abmahnungserfordernis könne dann erst recht nicht gelten, wenn die Parteien sogar erleichterte Kündigungsmöglichkeiten geregelt haben.

Mit der beharrlichen Verweigerung des Informationsrechts lag ein Verstoß gegen eine Pflicht aus dem Gesellschaftsvertrag vor, sodass der Beklagte die Gesellschaft kündigen durfte.

Praxishinweis

Die stille Gesellschaft ist in der Praxis u.a. für junge Unternehmen in der Finanzierungsphase und als Mitarbeiterbeteiligungsprogramm und für Investoren als Beteiligungsform von großer Bedeutung. Dabei handelt es sich um eine reine „Innengesellschaft“, die nicht nach außen in Erscheinung tritt. Der stille Gesellschafter und seine Beteiligung bleiben anonym, in bestimmten Fällen muss die Beteiligung aber in das Transparenzregister eingetragen werden.

Neben der Diskretion sind die flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten ein Vorteil. Während für Kapitalerhöhungen bei Kapitalgesellschaften strenge Form- und Verfahrensvorschriften gelten, ist die Gründung der stillen Gesellschaft formlos möglich.

Nach den gesetzlichen Regelungen in §§ 230 ff. HGB stehen dem stillen Gesellschafter grundsätzlich nur Informations- und Kontrollrechte zu. Auf Verlangen des stillen Gesellschafters ist ihm der Jahresabschluss auszuhändigen, um die Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Unterlagen zu prüfen. Weitergehende Mitwirkungsrechte, insbesondere Stimm-, Zustimmungs- oder Widerspruchsrechte stehen dem stillen Gesellschafter nach den gesetzlichen Vorschriften nicht zu.

Die gesetzlichen Regelungen sind jedoch dispositiv. Investoren bestehen regelmäßig auf weitergehende Kontroll- und Informationsrechte und verlangen, dass bestimmte Geschäfte ihrer Zustimmung bedürfen. Außerdem wird häufig die Gewinn- und Verlustbeteiligung konkreter ausgestaltet.

Je nach gesellschaftsvertraglicher Ausgestaltung wird zwischen typischer und atypischer stiller Beteiligung unterschieden, was insbesondere steuerliche Konsequenzen hat. Im Gegensatz zum typisch stillen Gesellschafter ist der atypisch stille Gesellschafter als Mitunternehmer zu klassifizieren. Erforderlich ist, dass der atypisch stille Gesellschafter Mitunternehmerinitiative und -risiko trägt. Kriterien dafür sind der Umfang von Kontroll- und Informationsrechten, die Mitarbeit im Unternehmen oder die Verlustbeteiligung auf die Begrenzung der Einlage.

Unternehmen und Investoren sollten daher genau prüfen, wie sie die Gestaltungsmöglichkeiten der stillen Gesellschaft nutzen. Die Entscheidung des OLG Hamm verdeutlicht zudem, dass in der Gestaltungsfreiheit auch Konfliktpotential liegt, insbesondere wenn gesellschaftsrechtliche Klauseln nicht eindeutig formuliert sind.

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