Grenzüberschreitender Formwechsel – Neuer Rechtsrahmen durch Umsetzung der EU-Umwandlungsrichtlinie
Möchte eine deutsche Gesellschaft ihren Satzungssitz ins Ausland verlegen, ist dafür ein Formwechsel in eine Rechtsform des am neuen Sitz geltenden, ausländischen Rechts erforderlich. Grenzüberschreitende Formwechsel spielen in der Praxis daher immer wieder eine Rolle. Doch so leicht ist es nicht, wenn Gesellschaften ins Ausland „umziehen“ möchten.
Illustriert wird dies anhand einer jüngeren Entscheidung des OLG Zweibrücken (Beschluss vom 11.07.2022 – 3 W 12/22). Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass die bloße Eintragung einer deutschen GmbH im türkischen Register als Limited Sirketi (türkische GmbH) nicht zu einer wirksamen, formwechselnden Sitzverlegung führt (vgl. hierzu bereits den Artikel „Keine Sitzverlegung durch bloße Registereintragung einer GmbH in der Türkei“ von Dr. Meike Kapp-Schwoerer und Maximilian Fessel).
Die grundsätzliche Möglichkeit und Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels innerhalb der Europäischen Union hat der EuGH aufgrund der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49, 54 AEUV bestätigt. In Deutschland allerdings war der grenzüberschreitende Formwechsel bislang nicht im Umwandlungsgesetz („UmwG“) normiert. Dies führte in der Praxis zu erheblichen Rechtsunsicherheiten, zumal nachdem im Januar 2020 die EU-Umwandlungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2121) in Kraft trat. So entschied das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 7.1.2020 – 5 W 79/19), dass zusätzlich zu den nationalen Vorschriften der §§ 122a ff. UmwG auch die Anforderungen der Richtlinie bereits vor deren Umsetzung ins deutsche Recht zu beachten seien.
Am 01.03.2023 ist nun endlich das Gesetz zur Umsetzung der EU-Umwandlungsrichtlinie („UmRUG“) in Kraft getreten. Hiermit werden insbesondere die EU-rechtlichen Vorgaben zur Harmonisierung von grenzüberschreitenden Umwandlungen, Formwechseln, Verschmelzungen und Spaltungen für Kapitalgesellschaften umgesetzt und dadurch in Deutschland erstmals der grenzüberschreitende Formwechsel in den §§ 333 ff. UmwG n.F. gesetzlich verankert.
Kapitalgesellschaften (z.B. Aktiengesellschaften oder GmbHs) müssen nach neuen Vorschriften zunächst einen notariell zu beurkundenden Formwechselplan aufstellen, der u.a. Angaben über einen indikativen Zeitplan, die Beteiligung der bisherigen Anteilsinhaber, die Sicherheiten, die den Gläubigern angeboten werden, die voraussichtlichen Auswirkungen auf die Arbeitnehmer und Einzelheiten zum Angebot einer Barabfindung enthalten muss. Der Formwechselplan oder sein Entwurf ist über den Weg der Einreichung beim Handelsregister (§§ 336, 308 Abs. 1 UmwG) bekannt zu machen. Erst einen Monat nach Bekanntmachung dürfen die Anteilsinhaber über den Formwechsel beschließen (§ 308 Abs. 1 S. 4 UmwG). Ab Bekanntmachung des Formwechselplans haben überdies die Gläubiger der formwechselnden Gesellschaft drei Monate Zeit, unter bestimmten Voraussetzungen eine Sicherheitsleistung für ihre Forderungen zu verlangen und gerichtlich geltend zu machen.
Grundsätzlich ist außerdem ein Formwechselbericht erforderlich, der den Anteilsinhabern und den Arbeitnehmern bzw. deren Vertretern spätestens vier Wochen vor dem Zustimmungsbeschluss der Anteilsinhaber zuzuleiten ist. Ausnahmsweise entbehrlich ist der Formwechselbericht für die Anteilsinhaber, wenn an dem formwechselnden Rechtsträger nur ein Anteilsinhaber beteiligt ist oder wenn alle Anteilsinhaber auf den Bericht verzichten. Der Bericht für die Arbeitnehmer ist dann entbehrlich, wenn die Gesellschaft und ihre etwaigen Tochtergesellschaften keine anderen Arbeitnehmer haben als diejenigen, die dem Vertretungsorgan, d.h. Geschäftsführung oder Vorstand, angehören. Damit ist insbesondere bei reinen Holdinggesellschaften, die nur einen Gesellschafter und außer der Geschäftsleitung keine Mitarbeiter haben, der Formwechselbericht stets entbehrlich.
Auch eine Prüfung des Formwechselplans oder seines Entwurfs ist nach den neuen Vorschriften vorgesehen, sofern die Anteilsinhaber darauf nicht verzichten oder die Prüfung sonst nach den allgemeinen Vorschriften des Umwandlungsrechts entbehrlich ist.
Schließlich müssen die Anteilsinhaber dem Formwechsel durch Beschluss zustimmen und dieser muss zur Eintragung im Handelsregister des Registergerichts, bei dem der formwechselnde Rechtsträger bisher eingetragen war, angemeldet werden. Das Registergericht hat dann drei Monate Zeit, das Vorliegen der Voraussetzungen des Formwechsels zu prüfen und stellt anschließend eine Formwechselbescheinigung aus, die es auch dem Registergericht im Ausland, das für den neuen Sitz der Gesellschaft zuständig ist, digital übermittelt.
Die neuen Vorschriften schaffen somit mehr Rechtssicherheit für grenzüberschreitende Umwandlungen. Dies geht auch mit neuen Regelungen zum Schutz der Gesellschafter, Arbeitnehmer sowie Gläubiger einher. Es ist davon auszugehen, dass die praktische Relevanz solcher Vorgänge aufgrund des neu geschaffenen Rechtsrahmens weiter zunehmen wird. Die neuen Regelungen gelten jedoch nur für Kapitalgesellschaften und nicht für Personengesellschaften.
5. April 2023