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Geschäftsführerpflichten bei wirtschaftlicher Neugründung einer GmbH

Bei einer wirtschaftlichen Neugründung treffen den Geschäftsführer die gleichen Pflichten wie bei einer erstmaligen Handelsregisteranmeldung. Eine wirtschaftliche Neugründung liegt vor, wenn die „leere Hülse“ einer Kapitalgesellschaft zur erneuten Geschäftsaufnahme genutzt wird, aber kein Geschäftsbetrieb mehr vorliegt, an den sie wirtschaftlich anknüpft. Das ergibt sich aus einem Beschluss des KG Berlin.

Sachverhalt

Dem Beschluss des KG Berlin liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Geschäftsführer einer GmbH, die seit einigen Jahren im Handelsregister eingetragen ist, meldete im März die Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstands der Gesellschaft zur Eintragung im Handelsregister an. Das Registergericht wies den Geschäftsführer anschließend darauf hin, dass es ein Fall der wirtschaftlichen Neugründung vermute und eine solche Neugründung dem Gericht offenzulegen sei. Bei der Anmeldung sei dementsprechend zusätzlich eine Versicherung des Geschäftsführers, abzugeben, dass die Stammeinlagen bewirkt sind und der GmbH zur freien Verfügung stünden. Außerdem sei eine Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung des letzten Jahres einzureichen. Die Vermutung des Gerichts könne nur durch gegenteilige Nachweise widerlegt werden. Nachdem die geforderten Nachweise auch nach Fristsetzung nicht eingereicht wurden, wies das Registergericht die Anmeldung mit Beschluss zurück. Hiergegen legte der einreichende Notar Beschwerde ein.

Die Entscheidung des KG Berlin vom 12.10.2022 (Az. 22 W 48/22)

Das KG Berlin wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Nach Ansicht des Gerichts hätte die wirtschaftliche Neugründung bei der Anmeldung von der GmbH offengelegt werden müssen. Zudem sei auch die erforderliche Versicherung des Geschäftsführers bezüglich der bewirkten und ihm zur freien Verfügung stehenden Einlagen nicht erfolgt. Folglich war das Anmeldungsgesuch der GmbH richtigerweise abzulehnen.

Die Regeln der sogenannten „wirtschaftlichen Neugründung“ seien auch auf den zu entscheidenden Fall anzuwenden. Eine solche liege vor, wenn zwar noch die „leere Hülse“ einer Kapitalgesellschaft besteht, jedoch bei der Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit kein Geschäftsbetrieb mehr vorliegt, an den in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise angeknüpft werden kann. Indizien für eine wirtschaftliche Neugründung können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sein, dass die Firma oder der Unternehmensgegenstand geändert, der Sitz verlegt, die Geschäftsführung ausgetauscht oder Geschäftsanteile veräußert werden, wobei diese Umstände mit einer wirtschaftlichen Neugründung einhergehen können, aber nicht müssen. Da diese Indizien hier vorlagen und auch nicht durch die Beschwerdeführerin entkräftet werden konnten, sah das Gericht den Fall einer wirtschaftlichen Neugründung in diesem Fall als gegeben an.

Praxishinweis

In der Praxis wird für die Aufnahme neuer Geschäfte häufig auf bereits gegründete Gesellschaften zurückgegriffen, da dies den Gründungsprozess verkürzt. So genügt bereits ein Notartermin, um eine Gesellschaft zu erwerben und anschließend im Rechtsverkehr auftreten zu können. Der entschiedene Fall zeigt aber, dass auch hier einige Fallstricke zu beachten sind und der Beginn der neuen Geschäftstätigkeit sorgfältig vorbereitet sein will.

Grundsätzlich sieht der Gesetzgeber als Ausgleich für die beschränkte Haftung der GmbH Vorschriften für die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung vor. Diese Vorschriften könnten umgangen werden, wenn statt einer Gründung ohne weiteres eine bestehende GmbH zur Aufnahme einer völlig neuen wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt werden dürfte. Die Gründungsvorschriften werden daher entsprechend herangezogen, wenn wirtschaftlich betrachtet eine neue Geschäftstätigkeit aufgenommen wird. Das Kammergericht bestätigt in diesem Zusammenhang überzeugend den vom Bundesgerichtshof entwickelten Maßstab. Es legt anschaulich die Indizien dar, die eine solche „Neugründung“ vermuten lassen. Vor allem dann, wenn Firma und Unternehmensgegenstand geändert, die Geschäftsführung ausgetauscht oder womöglich der Sitz der Gesellschaft verlegt werden sollen, ist zu prüfen, ob eine wirtschaftliche Neugründung vorliegt.

Ist das der Fall, ist besonders auf die Offenlegungspflicht des Geschäftsführers gegenüber dem Register mit den entsprechenden Versicherungen über die bewirkten und zur freien Verfügung stehenden Einlagen und die Offenlegung der Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung zu achten. Kommt die Gesellschaft diesen Verpflichtungen nicht nach, können dem Geschäftsführer und den Gesellschaftern eine persönliche Haftung drohen. Um dieses Risiko zu vermeiden, ist also auch beim „Rückgriff“ auf bestehende Gesellschaften Sorgfalt geboten und eine gründliche Vorbereitung ratsam.

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