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Gerichtliche Bestimmung eines Versammlungsleiters für eine Hauptversammlung

Bestehen belastbare Anhaltspunkte dafür, dass ein satzungsmäßig berufener Versammlungsleiter eine Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft nicht ordnungsgemäß, sondern voreingenommen und parteiisch leiten werde, kann das Gericht einen neutralen Versammlungsleiter bestimmen. Dies hat das OLG Düsseldorf entschieden.

Sachverhalt

Der Entscheidung des OLG Düsseldorf lag der Sachverhalt zugrunde, dass gegen den satzungsmäßig berufenen Versammlungsleiter der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft Bedenken hinsichtlich seiner Objektivität bestanden. Inhaltlich ging es bei der Beschlussfassung um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Die fehlende Unvoreingenommenheit wurde befürchtet, weil der Versammlungsleiter in der Vergangenheit (2017) in einer das gleiche Thema betreffenden Entscheidung Stimmen der Mehrheitsaktionärin trotz Stimmverbots berücksichtigt hatte. Nach Ansicht der Klägerin bestehe daher auch jetzt die Gefahr einer voreingenommenen und parteiischen Leitung der Hauptversammlung durch eben diesen Versammlungsleiter. Daher sei ein Ersatz-Versammlungsleiter vom Gericht zu bestimmen. Dieses Begehren hat das angerufene Amtsgericht zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich die Beteiligte.

Kurzwiedergabe der Entscheidungsgründe: Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 21.06.2023 (3 Wx 83/23)

Die Beschwerde hatte Erfolg. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf lägen die Voraussetzungen für die Bestimmung eines neutralen Versammlungsleiters durch das Gericht vor. Einer vorherigen gerichtlichen Ermächtigung zur Einleitung einer Hauptversammlung durch die Klägerin bedürfe es nicht.

Nach Ansicht des Gerichts bestünden vorliegend konkrete Anhaltspunkte, die aus Sicht der beteiligten Minderheitsaktionärin befürchten ließe, dass der satzungsmäßig berufene Versammlungsleiter die Hauptversammlung nicht ordnungsgemäß und unparteiisch durchführen werde. Denn der Versammlungsleiter hatte bereits zuvor Stimmverbote missachtet und dem Anliegen einer bestimmten Gesellschafterin dadurch zum Erfolg verholfen. Daraus ließen sich hinreichende Zweifel an einem unparteiisch und rechtlich ordnungsgemäß handelnden Versammlungsleiter ableiten. Auch stehe der gerichtlichen Bestellung eines Versammlungsleiters eine nur geringfügige Beteiligung der betroffenen Gesellschafterin (hier: 0,04%) nicht entgegen.

Praxishinweise

Die Gesellschafterversammlung ist das zentrale Willensbildungsorgan von Gesellschaften. In dieser werden durch die Gesellschafter die grundlegenden Entscheidungen für die Geschäftspraxis und die Unternehmenstätigkeiten der Gesellschaft gefasst. Dies gilt unabhängig davon, ob die Gesellschafter bzw. einzelne Gesellschafter zugleich Geschäftsführer sind oder eine Fremdgeschäftsführung durch Dritte erfolgt.

Grundsätzlich gilt bei Gesellschaften das Mehrheitsprinzip: Je umfangreicher die Beteiligung einer Person an der Gesellschaft ist, desto größer ist seine Entscheidungsmacht innerhalb der Gesellschaft und damit sein Einfluss auf die Unternehmenstätigkeiten.

Damit den Mehrheitsgesellschaftern aber keine unbegrenzte Macht zu Lasten der weiteren Gesellschafter zukommt, bestehen neben der satzungsmäßigen Gestaltung zudem auch zwingende gesetzliche Schutzmechanismen.

So haben Minderheitsgesellschafter in bestimmten Fällen das Recht eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Auch können sie einzelne Tagesordnungspunkte vorgeben. Weiterhin haben sie zur Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer bestehenden Gesellschafterrechte gegenüber der Geschäftsleitung ein Auskunftsrecht über die Angelegenheiten der Gesellschaft und Einsichtsrechte in die Bücher.

Weiterhin können sich für den Mehrheitsgesellschafter Grenzen seiner Handlungsmacht aus der allgemeinen gesellschaftlichen Treuepflicht ergeben. Hiernach müssen die Gesellschafter Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft und auch untereinander nehmen. Dies gilt sowohl für den Mehrheits- als auch für die Minderheitsgesellschafter. Allerdings ist der Nachweis einer Treuepflichtverletzung in der Praxis oftmals schwierig.

In der Praxis ermöglichen die Satzung/der Gesellschaftsvertrag bedarfsgerechte Gestaltungen. Diese hängen entscheidend von den Bedürfnissen der Gesellschafter im Einzelfall ab. So können einzelnen Gesellschaftern, unabhängig davon ob Mehrheits- oder Minderheitsgesellschafter, Sonderrechte eingeräumt werden und/oder besondere Minderheitenrechte gewährt werden. Gestaltungsmöglichkeiten sind etwa (i) Vetorechte gegen bestimmte Entscheidungen in der Hauptversammlung, (ii) Mehrstimmrechte in bestimmten Angelegenheiten, (iii) Höchststimmrechte, (iv) Sperrminoritäten und (v) Sonderrechte zur Bestellung bestimmter Funktionsträger.

Ob und welche Spielarten der Vertragsgestaltung einzusetzen sind, bemisst sich an den Interessen und Bedürfnissen der Gesellschafter im Einzelfall. Die Gesellschafter sollten die Möglichkeiten sowohl bei der erstmaligen Gestaltung des Gesellschaftsvertrags als auch für spätere Anpassungen im Blick haben. Ziel sollte stets eine optimale Berücksichtigung der jeweiligen Bedürfnisse und Interessen sein, ohne dass hierdurch aber die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft beeinträchtigt wird.

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