andreas imping arbeitsrecht p 1.jpg

Vergütung von Betriebsräten

Der BGH hat mit Urteil vom 10.01.2023 (6 StR 133/22) das Urteil des LG Braunschweig vom 28.09.2021 zur Vergütung von Betriebsräten der Volkswagen AG aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Sachverhalt

Das Landgericht hat die Angeklagten, zwei frühere Vorstände für den Bereich Personal und zwei frühere Personalleiter der Volkswagen AG, vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Gegenstand des Urteils war die Gewährung von Arbeitsentgelten (Monatsentgelte und freiwillige Bonuszahlungen) an freigestellte Betriebsräte in den Jahren 2011 bis 2016, die die Zahlungen an die betriebsverfassungsrechtlich zutreffenden Vergleichsgruppen erheblich überstiegen. Hierdurch entstand der Volkswagen AG ein Schaden von mehr als 4,5 Millionen Euro. Nach Ansicht des Landgerichts haben die Angeklagten durch die Umstufung der Betriebsräte in deutlich höhere, dem "Managementkreis" vorbehaltene Entgeltgruppen und die Gewährung freiwilliger Bonuszahlungen von jährlich 80.000 Euro bis 560.000 Euro je Betriebsrat den objektiven Tatbestand einer Untreue erfüllt. Ihnen fehle aber der erforderliche Vorsatz, weil sie sich auf die Einschätzungen interner und externer Berater verlassen beziehungsweise ein bestehendes Vergütungssystem vorgefunden und irrtümlich angenommen hätten, mit ihren jeweiligen bewilligenden Entscheidungen keine Pflichten zu verletzen.

Entscheidungsgründe

Der BGH hat die Freisprüche aufgehoben. Zwar ist das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der objektive Tatbestand einer Untreue nach § 266 Abs. 1 Strafgesetzbuch erfüllt sein kann, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt. Die vom Landgericht hierzu getroffenen Urteilsfeststellungen genügen aber nicht den gesetzlichen Darstellungsanforderungen. Der Senat vermag daher nicht zu beurteilen, ob die Bewilligung der monatlichen Entgelte und Bonuszahlungen den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen widerspricht und ob das Landgericht auf zutreffender Grundlage einen Vorsatz der Angeklagten verneint hat. So ist dem Urteil insbesondere nicht zu entnehmen, nach welchem System die Vergütung von Angestellten der Volkswagen AG generell geregelt war, welche Kriterien für die Einordnung in "Kostenstellen" und "Entgeltgruppen" galten, nach welchen Regeln ein Aufstieg in höhere "Entgeltgruppen" sowie in die verschiedenen "Managementkreise" vorgesehen war und welche Maßstäbe den Entscheidungen über die Gewährung von Bonuszahlungen sowie über deren Höhe zugrunde lagen. Darüber hinaus weist auch die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorsatz der Angeklagten einen Rechtsfehler auf. Sie ist lückenhaft, weil das Landgericht insoweit allein die Einordnung der Betriebsratsmitglieder in bestimmte Entgeltstufen in den Blick genommen, jedoch die ihnen über ihre Grundgehälter hinaus gewährten Bonuszahlungen – die teilweise die Grundgehälter erheblich überstiegen – außer Betracht gelassen hat.

Hinweise für die Praxis

Die Veranlassung der Zahlung einer zu hohen Betriebsratsvergütung birgt gewaltige Risiken, insbesondere strafrechtlicher Natur nach Maßgabe von § 119 Abs. 1 BetrVG und § 266 StGB (Untreue). Nicht zuletzt die jüngste Entscheidung des BGH legt nahe, dass auch der Verzicht auf die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs überhöhter Betriebsratsvergütung als strafrechtlich relevante Untreue anzusehen ist. Ob eine Pflicht zur Durchsetzung derartiger Ansprüche tatsächlich besteht, hängt letztlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Jedenfalls wird die Geschäftsführung sich eine Entscheidungsgrundlage durch geeignete Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung verschaffen müssen, um darauf unter Berücksichtigung der Durchsetzbarkeit sowie der Unternehmensinteressen eine Entscheidung zu fällen. Um die dargestellten Risiken einzudämmen, bedarf es einer erhöhten Sensibilität für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Denn allein durch strukturierte Maßnahmen im Vorfeld (von z.B. Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden) lassen sich Risiken auf ein Minimum reduzieren.

Kontakt > mehr