Rückzahlung von Annahmeverzugslohn wegen erzielten Zwischenverdienstes
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 25.04.2023 – 5 Sa 26/22 entschieden, dass eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, nach der Ansprüche verwirken, sofern sie dem Arbeitgeber gegenüber nicht fristgerecht geltend gemacht werden, dem Wortlaut nach nur Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber erfasst, nicht solche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer. Eine solche Ausschlussfrist steht einem Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung von Annahmeverzugslohn wegen erzielten Zwischenverdienstes nicht entgegen.
Sachverhalt
Die Klägerin beschäftigte den Beklagten zuletzt als Kfz-Meister in Vollzeit auf Grundlage eines Änderungsvertrages vom 11.01.2001, der folgende Klausel enthielt:
„§ 10 Geltendmachung von Ansprüchen
Gegenseitige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis (z. B. aus Mehrarbeit, rückständigem Lohn u. ä.) sind innerhalb von zwei Monaten geltend zu machen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind alle daraus herrührenden sonstigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Beendigung geltend zu machen. Nach Ablauf der genannten Fristen ist der Anspruch verwirkt, sofern er dem Arbeitgeber gegenüber nicht vorher erfolglos geltend gemacht wurde.“
Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis des Beklagten zunächst mit Schreiben vom 28.08.2019 betriebsbedingt zum 28.02.2020 und nochmals mit weiterem Schreiben vom 20.08.2020 zum 31.03.2021. Gegen beide Kündigungen erhob der Beklagte Kündigungsschutzklage.
Nachdem das Arbeitsgericht nur hinsichtlich der Folgekündigung vom 20.08.2020 zum 31.03.2021 die Kündigungsschutzklage des Beklagten abwies, schlossen die Parteien am 15.12.2020/17.01.2021 eine Vereinbarung über eine Prozessbeschäftigung, wonach der Beklagte unter Fortzahlung der Vergütung bis zum 31.03.2021 von jeglicher Verpflichtung zur Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt wurde, und unter deren Ziffer 4 vereinbart wurde, dass sich der Beklagte einen in der Zeit der Freistellung erzielten Zwischenverdienst gemäß § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen müsse.
Nachdem sich herausstellte, dass der Beklagte im Freistellungszeitraum als Hauptmesstechniker im öffentlichen Dienst anderweitigen Zwischenverdienst erzielte, beantragte die Klägerin mit Klage vom 09.09.2021, den Beklagten zur Rückzahlung des bereits gezahlten Annahmeverzugslohns zu verurteilen.
Das Arbeitsgericht entsprach der Klage auf Rückzahlung. Die hiergegen vom Beklagten erhobene Berufung hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Nach Ansicht des LAG habe die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Erstattung des von ihr gezahlten Annahmeverzugslohns. Denn es gebe keinen Rechtsgrund für die erhaltene Vergütungszahlung, da der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum nach Ziffer 4 der Vereinbarung über die Prozessbeschäftigung i. V. m. § 615 Sätze 1 und 2 BGB keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt habe. Der Beklagte müsse sich den Zwischenverdienst anrechnen lassen.
Der Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB sei auch nicht nach § 10 des Arbeitsvertrages verwirkt.
Gemäß § 10 Satz 3 des Arbeitsvertrages sei ein Anspruch nach Ablauf der vorgenannten Fristen, d. h. nach zwei bzw. drei Monaten, verwirkt, sofern er „dem Arbeitgeber gegenüber“ nicht vorher erfolglos geltend gemacht wurde. Der Begriff „erfolglos“ beschreibe dabei lediglich, dass der Anspruch noch nicht erfüllt oder anerkannt sei, die Geltendmachung also gerade keinen Erfolg hatte. „Dem Arbeitgeber gegenüber“ seien nur Ansprüche des Arbeitnehmers geltend zu machen. Eine Verwirkung von Ansprüchen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer sehe die Klausel ihrem Wortlaut nach nicht vor. Ansprüche des Arbeitgebers würden nicht nach Ablauf der genannten Fristen verwirken, sondern nur solche des Arbeitnehmers.
Unabhängig davon fehle bei der Zwei-Monats-Frist in Satz 1 der Klausel eine Regelung zum Beginn der Frist. Die Drei-Monats-Frist in Satz 2 enthalte zwar einen konkreten Zeitpunkt für den Fristbeginn. Sie gelte aber nur für Ansprüche, die aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses herrühren würden. Der Anspruch auf Erstattung unberechtigt bezogenen Lohns falle nicht darunter.
Hinweise für die Praxis
Klauseln über Ausschlussfristen stellen regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305ff. BGB dar. Da es sich vorliegend um eine einseitige Ausschlussfrist gehandelt hat, die nur dem Arbeitnehmer die Durchsetzung seiner Ansprüche erschwerte, war diese sogar unwirksam. In einem Vorprozess konnte der Beklagte daher auch verschiedene Ansprüche gegenüber der Klägerin als Arbeitgeberin durchsetzen, worauf das LAG in seinen Entscheidungsgründen ebenfalls hinwies (siehe zum Vorprozess LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 04.05.2021 – 5 Sa 343/20).
Die Ausschlussfrist hinderte jedoch die Arbeitgeberin nicht daran, die Rückzahlung von Annahmeverzugslohn wegen erzielten Zwischenverdienstes zu verlangen, da sie nur für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen die Arbeitgeberin galt, jedoch nicht andersherum.
6. Juni 2023