Keine Freistellung von Früh- und Spätschichten sowie Samstagsarbeit wegen Kinderbetreuung?
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 13. Juli 2023 (Az.: 5 Sa 139/22) entschieden, dass der Arbeitgeber zwar bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit nach Möglichkeit auch auf die Personensorgepflichten des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen muss, sofern betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer/innen nicht entgegenstehen. Es verneinte aber letztlich den Antrag der Klägerin auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit, die eine Freistellung von Früh- und Spätschichten sowie Samstagsarbeit vorsah.
Sachverhalt
Dem Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin arbeitet als Bäckereiverkäuferin in einer Filiale der Beklagten. Nach ihrem geltenden Arbeitsvertrag betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden. Die Beklagte arbeitet in einem Drei-Schicht-System, in dem auch die Klägerin integriert war.
Die Klägerin gebar am 18. Juli 2020 Zwillinge und befand sich bis zum 17. Juli 2021 in Elternzeit. Anschließend war sie zunächst arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2021 beantragte die Klägerin, ab dem 11. Januar 2022, dem voraussichtlichen Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit, nur noch an den Wochentagen Montag bis Freitag (also nicht samstags) und nur noch zwischen 07.40 Uhr und 16.40 Uhr eingesetzt zu werden. Darüber hinaus beantragte sie zum 1. April 2022 eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden, abzuleisten ebenfalls in dem oben genannten Zeitrahmen. Zur Begründung berief sie sich auf ihre Betreuungspflichten als alleinerziehende Mutter sowie Öffnungszeiten der Kindertagesstätte.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 11. Januar 2022 zwar nicht die beantragte Arbeitszeitverkürzung ab, widersprach jedoch der beantragten Arbeitszeitverteilung. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass dies mit dem ihrem Organisationskonzept nicht einhergehe und auch die übrigen bei der Beklagten vorwiegend beschäftigten Arbeitnehmerinnen kleine Kinder hätten.
Das Arbeitsgericht Schwerin wies die Klage mit Urteil vom 12. Juli 2022 (Az.: 6 Ca 73/22) ab. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Das LAG entschied, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten aus § 8 Abs. 4 TzBfG keinen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte zugleich mit der Arbeitszeitverringerung auf 35 Wochenstunden einer Arbeitszeitverteilung ausschließlich auf die Wochentage Montag bis Freitag 07.40 Uhr (bzw. 07.30 Uhr) bis 16.40 Uhr zustimmt.
Dabei führte das LAG aus, dass bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit der Arbeitgeber nach Möglichkeit auch auf die Personensorgepflichten des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen müsse, sofern betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer nicht entgegenstehen.
Das LAG sah es jedoch als gegeben an, dass die von der Klägerin beantragte Festlegung der Arbeitszeit mit dem Organisationskonzept der Beklagten nicht vereinbar sei. Das Organisationskonzept der Beklagten werde bestimmt durch die Öffnungszeiten der Filiale, die erforderlichen Vor- und Nachbereitungszeiten sowie das Kundenaufkommen. Bestandteil des Organisationskonzepts sei auch das rollierende Schichtsystem. Diesem Konzept stehe die von der Klägerin gewünschte Verteilung der Arbeitszeit entgegen, die allenfalls in der Mittelschicht ab 7.30 Uhr bis 15.00 Uhr tätig sein könnte. Das LAG führte aus, es sei ausschlaggebend, dass ein regelmäßiger Schichtwechsel über alle Schichten hinweg nicht mehr stattfinden könne. Der geforderte ausschließliche Einsatz in der Mittelschicht bedinge zwangsläufig eine grundlegende Änderung des Wechselschichtsystems, die mit einer verstärkten Heranziehung der übrigen Mitarbeiterinnen in der Früh- und in der Spätschicht sowie an Samstagen einhergehe.
Weiter führt das LAG aus, dass der Arbeitgeber sich im Rahmen der Interessenabwägung auf die ihm ohne weiteres nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten beschränken könne, ohne die familiären Verhältnisse in ihren Einzelheiten näher erforschen zu müssen. Er müsse sich nicht vor Erstellung des Schichtplans nach den jeweils aktuellen persönlichen Lebensverhältnissen seiner Beschäftigten erkundigen und diese ggf. überprüfen. Das LAG beruft sich auf die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und der EU-Grundrechtscharta, die nicht nur für die Klägerin, sondern in gleicher Weise auch für die anderen dort tätigen Mütter gelte. Auch diese hätten ein schutzwürdiges Interesse daran, Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen zu können. Die Klägerin erfahre ansonsten – trotz der Tatsache, dass sie alleinerziehend ist, – eine nicht gerechtfertigte Besserstellung.
Hinweis für die Praxis
Bei Arbeitgebern dürfte diese Entscheidung ein Aufatmen ausgelöst haben, bei Müttern vielleicht eher ein ungutes Gefühl. Bei genauer Betrachtung der Entscheidung muss man aber feststellen, dass das Gericht hier sehr genau den Einzelfall betrachtet hat und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Abwägung aller Interessen, insbesondere auch Berücksichtigung der übrigen Arbeitnehmerinnen mit kleinen Kindern, die die gleichen Probleme mit der Gewährleistung der Kinderbetreuung haben, nicht beanstandet hat.
Für Arbeitgeber empfiehlt sich dennoch, über Mittel und Wege der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie nachzudenken, gerade in Bereichen, die sehr stark von Frauen (in Teilzeit) geprägt sind.
21. September 2023