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Kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei der Verwendung nicht mitbestimmter Personalfragebögen

Die Verwendung von nicht mitbestimmten Personalfragebögen oder Beurteilungsgrundsätzen i.S.v. § 94 BetrVG durch die Arbeitgeberin bei der Stellenbesetzung begründet kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. 2. Das hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 02.08.2023 (Az. 12 TaBV 46/22) entschieden.

Sachverhalt

Dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Arbeitgeberin und Antragstellerin ist eine Gießerei und beschäftigt ca. 970 Mitarbeiter. Bei ihr ist ein 15-köpfiger Betriebsrat gebildet. Die Antragstellerin schrieb im März/April 2022 eine Stelle als „Koordinator Elektrotechnik“ intern aus. Auf die Stellenausschreibung bewarben sich intern vier Mitarbeiter. In der Folgezeit fanden Gespräche mit den vorgenannten Bewerbern unter Verwendung von Interviewbögen, in welchen sich die Antragstellerin während der Bewerbungsgespräche handschriftliche Notizen machte, statt. In den Interviewbögen waren Punkte für einzelne Kriterien hinsichtlich der einzelnen Bewerber aufgeführt, die zu einer aufgeführten Gesamtpunktzahl führten. Ebenso befanden sich in den Bögen weitere Erläuterungen zu den einzelnen Bewerbern. Eine Zustimmung des Betriebsrats zur Verwendung der Interviewbögen lag nicht vor.

Nach diesen Gesprächen entschied sich die Antragstellerin für den Mitarbeiter, der die höchste Punktzahl erreichte, und beantragte mit Schreiben vom 03.05.2022 beim Betriebsrat die Zustimmung zu seiner Versetzung. Sie teilte dem Betriebsrat die Personalien des Mitarbeiters, den Ablauf des Bewerbungsverfahrens sowie die Bewerber mit und fügte die ausgefüllten Interviewbögen bei. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur geplanten Versetzung, da er die Unterrichtung für unzureichend hielt. Außerdem sah er in der Verwendung von Fragebögen, die nicht mit dem Betriebsrat abgestimmt waren, einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Außerdem verstoße die Versetzung gegen die BV 02/2003, welches ein Schichtsystem mit fünf Schichten regele, das aufgrund einer Leistungsverdichtung durch den wechselnden Mitarbeiter nicht mehr gewährleistet sei.

Die Antragstellerin beantragte einen Zustimmungsersetzungsantrag beim Arbeitsgericht Düsseldorf (Az. 6 BV 107/22), dem das Gericht stattgab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats hat das LAG zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das LAG sah die Voraussetzungen nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hinsichtlich der Unterrichtung des Betriebsrates über eine beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Urkunden als erfüllt an. Der Betriebsrat sei vollständig unterrichtet worden.

Einen Zustimmungsverweigerungsgrund konnte das LAG nicht sehen, insbesondere berechtige ein Verstoß gegen § 94 BetrVG – das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Personalfragebögen und der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze – den Betriebsrat nicht zu einer Zustimmungsverweigerung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs 2 Nr. 1 BetrVG sei bei Einstellungen und Versetzungen nur gegeben, wenn das Ziel der Norm allein dadurch erreicht werden könne, dass die personelle Maßnahme insgesamt unterbleibe. Dazu bedürfe es zwar keiner Verbotsnorm im technischen Sinne, die unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführe. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sei bei Versetzungen lediglich dann gegeben, so das LAG, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Versetzung insgesamt unterbleibe. Diese Grundsätze entsprechen der Rechtsprechung des BAG zu § 95 BetrVG (BAG, Urteil vom 10. Juli 2013 – 7 ABR 91/11).

Mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 94 BetrVG soll sichergestellt werden, dass lediglich Fragen gestellt werden, an denen der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat. Mit dem Auswahlprozess seien zwar auch die kollektiven Interessen der Belegschaft betroffen. Daraus folgert das LAG allerdings nicht, dass ein Verstoß gegen § 94 BetrVG dazu führe, dass die Versetzung unterbleiben müsse, mag der Betriebsrat bei einem Verstoß gegen § 94 BetrVG auch einen Unterlassungsanspruch haben. Auch inhaltlich bedeute ein Verstoß gegen § 94 BetrVG entgegen der vom Betriebsrat in der Anhörung geäußerten Ansicht nicht automatisch einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der Bewerber. Dieser läge nur dann vor, wenn unzulässige Fragen gestellt werden. Das war vorliegend nicht der Fall.

Das LAG urteilte weiter, dass auch kein Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG vorliege, weil ein angeblicher Verstoß gegen die BV 02/2003 aufgrund Leistungsverdichtung vom Betriebsrat nicht gerügt wurde und auch inhaltlich nicht vorliege. Die BV sehe keine Mindestanzahl an Mitarbeitern pro Schicht vor. Im Übrigen habe die Ursache der angespannten Personalsituation nicht allein in der Versetzung des Mitarbeiters gelegen.

Hinweis für die Praxis

Das Urteil ist konsequent im Hinblick auf die Rechtsprechung des BAG zu § 95 BetrVG und für Arbeitgeber durchaus begrüßenswert. Allerdings sollte der Arbeitgeber nicht den Fehler machen und daraus schließen, dass die Mitbestimmung des Betriebsrats hier keine Beachtung finden muss. Der Betriebsrat könnte unter gewissen Voraussetzungen einen Unterlassungsanspruch geltend machen, so dass der Arbeitgeber die personelle Maßnahme dann nicht umsetzen kann.

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