andreas imping arbeitsrecht p 1.jpgnadja schmidt vertriebsrecht.jpg

Arbeitslosmeldung und Annahmeverzugsvergütung

Das BAG hat mit Urteil vom 12.10.2022 – 5 AZR 30/22 entschieden, dass die Verletzung der sozialrechtlichen Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung nach § 38 Abs. 1 SGB III auch im Rahmen von Streitigkeiten über Annahmeverzugsvergütung bei der Auslegung des Begriffs des böswilligen Unterlassens anderweitigen Verdienstes iSv. § 11 Nr. 2 KSchG zu berücksichtigen ist.

Sachverhalt

Dem Urteil des BAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist bei der Beklagten in leitender Position tätig und streitet mit dieser noch über Annahmeverzugsvergütung, nachdem er sich mit Erfolg gegen eine Kündigung der Beklagten zur Wehr gesetzt hatte. Der Kläger hatte sich nach Zugang der Kündigung weder arbeitsuchend gemeldet noch Leistungen der Agentur für Arbeit bezogen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass er keine Obliegenheit habe, die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch zu nehmen. Auch würden Positionen wie seine als Experte im öffentlichen Auftragswesen für Rüstungsgüter nicht über die Agentur für Arbeit vermittelt, sondern nur durch private Personalvermittler. Ein branchenfremder Wechsel sei nahezu ausgeschlossen.

Nachdem das Arbeitsgericht der Zahlungsklage stattgegeben hat, hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Die zulässige Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des BAG habe das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Prüfung des böswilligen Unterlassens anderweitigen Verdienstes (§ 11 Nr. 2 KSchG) die erforderliche Gesamtwürdigung der Umstände des Falls nicht vorgenommen.

§ 11 Nr. 2 KSchG bestimme, dass sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen muss, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.

§ 38 Abs. 1 SGB III beinhalte zwar eine rein sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht, mit der vorrangig arbeitsmarktpolitische und sozialversicherungsrechtliche Zwecke verfolgt werden. Dennoch sei diese auch im Rahmen der Anrechnungsvorschriften beim Annahmeverzug zu beachten, weil dem Arbeitnehmer arbeitsrechtlich das zugemutet werden könne, was ihm das Gesetz ohnehin abverlangt. Die sozialrechtlichen Handlungspflichten können bei der Auslegung des Begriffs des böswilligen Unterlassens am Maßstab der gemeinsamen Vertragsbeziehung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht außer Acht gelassen werden. Denn der Arbeitnehmer dürfe nach § 11 Nr. 2 KSchG nicht vorsätzlich verhindern, dass ihm eine zumutbare Arbeit überhaupt angeboten wird.

Hinweise für die Praxis

Wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht, weil die Kündigung des Arbeitgebers unwirksam war, befindet sich der Arbeitgeber regelmäßig im Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer kann dann nach Maßgabe der § 615 Abs. 1 BGB, § 11 KSchG die Vergütung verlangen, die er im Falle einer Annahme seiner Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber verdient hätte. Jedoch muss sich der Arbeitnehmer anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient hat oder hätte verdienen können.

Arbeitnehmern ist daher zu empfehlen, ihrer Pflicht zur Arbeitslosmeldung nach § 38 Abs. 1 SGB III nachzukommen, damit der Annahmeverzugslohn nicht verloren geht. Das Urteil des BAG vom 12.10.2022 zeigt, dass dies auch leitende Angestellte und Führungskräfte betrifft, da andernfalls auch bei ihnen Nachteile entstehen können.

Kontakt > mehr