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Winnie Puuh und das Urheberrecht – Kopieren erlaubt?

In der Süddeutschen Zeitung vom 09.01.2022 findet sich die Meldung, dass für die allseits beliebte Comicfigur Winnie Puuh am 31.12.2021 – 95 Jahre nach der Erstveröffentlichung im Jahr 1926 – der Urheberrechtsschutz in den USA ausgelaufen ist. Das würde bedeuten, dass jedermann den bekannten Bären kopieren dürfte. Aber Achtung: In Deutschland sieht die Lage anders aus – und auch in den USA gilt es, genau hinzusehen.

Winnie Puuh in Deutschland weiterhin geschützt

Das deutsche Urheberrecht regelt in den Vorschriften zum Fremdenrecht (§§ 120 – 128 UrhG), unter welchen Voraussetzungen ausländische Urheber und ihre Werke in Deutschland Schutz genießen. Dreh- und Angelpunkt hierfür ist die Staatsangehörigkeit des Urhebers. Bei dem Autor von Winnie Puuh handelt es sich um den 1956 verstorbenen Briten Alan Alexander Milne.

Seit Brexit keine Gleichstellung mehr

Durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist die Rechtslage für den Schutz von Werken britischer Urheber komplizierter geworden. War es zuvor so, dass britische Autoren als EU-Bürger über die Schutzangleichung in § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG ihren deutschen Kollegen in puncto Urheberrechtsschutz unmittelbar gleichgestellt waren, so unterfallen sie nun der Regelung für ausländische Staatsangehörige in § 121 UrhG.

Schutzdauer bestimmt sich nach RBÜ

Im Fall des britischen Autors Milne und seines Bären Winnie Puuh verweist § 121 Abs. 4 S. 1 UrhG für die Ausgestaltung des Urheberrechtsschutzes auf den Inhalt der internationalen Staatsverträge. Für die Schutzdauer urheberrechtlicher Werke der Literatur führt dies direkt zu Art. 7 Abs. 8 des Revidierten Berner Übereinkommens (RBÜ), dem sowohl Deutschland als auch Großbritannien beigetreten sind. Nach dem dort geregelten Grundsatz des Territorialprinzips bestimmt sich die Schutzdauer des Urheberrechts nach dem Recht des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird. Allerdings darf die Schutzdauer des Ursprungslandes – also des Staats, in dem das Werk erstveröffentlicht wurde (hier: Großbritannien) – nicht überschritten werden, sofern dies nicht ausnahmsweise gesetzlich zugelassen wird.

Schutz erlischt 70 Jahre nach Tod des Autors

Geht es um den Urheberrechtsschutz in Deutschland, so bestimmt sich die Schutzdauer also grundsätzlich nach dem deutschen Urheberecht. Danach erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Autors (§ 64 UrhG). Zu einer Überschreitung der Schutzdauer im Vergleich zum britischen Urheberrecht kann es dabei nicht kommen, da diese in Großbritannien ebenfalls auf einen Zeitraum von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers begrenzt ist.

Für den Rechteverwerter Disney sind dies erfreuliche Nachrichten: Da der Autor von Winnie Puuh, Alan Alexander Milne, am 31.01.1956 verstorben ist, genießt der kleine gelbe Bär mit dem Honigtopf hierzulande somit noch bis zum 31.12.2026, dem Jahresende nach dem 70. Todestag seines Schöpfers (§ 69 UrhG), urheberrechtlichen Schutz und lässt bei Disney auch weiterhin die Kassen klingeln.

Schutz für spätere Veröffentlichungen kann auch in den USA noch bestehen

Trotz des abgelaufenen Urheberrechtsschutzes für die Figur Winnie Puuh in den USA darf dennoch eines nicht vergessen werden: Die vielen Freunde, die Winnie Puuh bei seinen Abenteuern stets begleiteten.

Da das amerikanische Urheberrecht bei der Berechnung der Schutzdauer nicht einheitlich auf den Todestag des Urhebers abstellt, sondern an das Datum der Erstveröffentlichung des jeweiligen Werkes anknüpft, muss für den Hasen Rabbit, den Esel I-Aah und all die anderen Figuren aus der Welt von Winnie Puuh auch die Schutzdauer separat nach dem Datum ihres ersten Erscheinens in den Geschichten bestimmt werden. So tauchte – wie dem Artikel in der Süddeutschen Zeitung zu entnehmen ist – etwa der hüpfende Tiger Tigger erst 1928 als weitere Figur in den Winnie Puuh-Geschichten auf, womit sich auch das Auslaufen des amerikanischen Urheberechtsschutzes entsprechend nach hinten verlagert. Ähnlich verhält es sich mit solchen Teilen der Story, die erst im Zuge fortschreitender Auflagen ergänzt wurden, wie etwa dem roten Hemdchen, welches der Protagonist Winnie Puuh in der schwarz-weißen Originalfassung noch nicht trug. Und wenn es um ganze Werke (wie Bücher und Filme) geht, die später veröffentlicht wurden, kommt es in den USA auf den Zeitpunkt von deren Veröffentlichung und in Deutschland auf die Lebensdauer etwaiger weiterer beteiligter Urheber an.

Je nachdem, um welchen Aspekt der Winnie Puuh-Geschichten es sich handelt, kann somit in den USA noch weiterhin Urheberrechtsschutz bestehen – auch über den deutschen Stichtag am 31.12.2026 hinaus.

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