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Virtuelle Gesellschafterversammlung in der GmbH – Neuregelung im GmbHG

Wenn sich die Geschäftswirklichkeit ändert, sollten auch die gesetzlichen Regeln angepasst werden. In vielen Bereichen wurden nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie physische Treffen durch virtuelle Formate ersetzt. Die Vertrautheit mit den entsprechenden Medien hat stark zugenommen. Damit geht einher, dass die Bereitschaft sinkt, lange Wege zur Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung auf sich zu nehmen, wenn virtuelle oder teilvirtuelle Versammlungen eine funktionierende Alternative darstellen. Der Gesetzgeber hat jetzt reagiert und mit dem „Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie“ (DiREG) auch für die GmbH eine gesetzliche Regelung geschaffen. § 48 Abs. 1 GmbHG wurde zum 1. August 2022 um einen Satz ergänzt. Danach können Gesellschafterversammlungen auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden, wenn sämtliche Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären.

Bisher sah § 48 Abs. 1 GmbHG für die Beschlussfassung der GmbH nur physische Gesellschafterversammlungen vor. Als Ausnahme regelte das Gesetz nur das sogenannte Umlaufverfahren, § 48 Abs. 2 GmbHG. Dies setzt voraus, dass sämtliche Gesellschafter in Textform (z.B. per E-Mail) dem zur Abstimmung gestellten Beschlussinhalt zustimmen oder aber sich sämtliche teilnahmeberechtigte Gesellschafter mit dem Verfahren der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären. Das „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ (COVMG) schafft zwar eine vorübergehende Erleichterung, indem bis zum 31. August 2022 auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter das Verfahren der schriftlichen Beschlussfassung eröffnet ist. Anders als bei der Aktiengesellschaft wurde im COVMG für die GmbH jedoch nicht die Möglichkeit virtueller Gesellschafterversammlungen vorgesehen. Dies hat sich mit der Neuregelung im DiREG geändert. Der Gesetzgeber hat jetzt grundsätzlich die virtuelle Gesellschafterversammlung für die GmbH eröffnet, diese aber an das schon aus dem Umlaufverfahren bekannte Einstimmigkeitserfordernis geknüpft. Damit kann schon ein einzelner Gesellschafter diese Form der Gesellschafterversammlung verhindern. Um solche Situationen zu vermeiden, sollte die Möglichkeit virtueller oder teilvirtueller Versammlungen im Gesellschaftsvertrag verankert werden.

Die gesetzlichen Regelungen in § 48 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG stehen explizit unter dem Vorbehalt abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelungen, § 45 Abs. 2 GmbHG. Ausgenommen sind nur bestimmte Sachverhalte, wie etwa umwandlungsrechtliche Maßnahmen, für die die Durchführung einer physischen Gesellschafterversammlung noch zwingend vorgeschrieben ist. Die Mehrheitserfordernisse für die Einführung von virtuellen oder teilvirtuellen Versammlungen richten sich nach der konkreten Ausgestaltung der Regelung und dem Zeitpunkt ihrer Einführung. Die Entscheidung, auf physische Gesellschafterversammlungen gänzlich zu verzichten, wo diese nicht zwingend sind, kann bei Gründung der GmbH vorgesehen werden. Die Möglichkeit der späteren Einführung einer solchen Regelung ist wegen des Eingriffs in zentrale Mitgliedschaftsrechte umstritten und erfordert zumindest die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Virtuelle oder teilvirtuelle Gesellschafterversammlungen als gleichwertige Alternative zur physischen Gesellschafterversammlung können mit satzungsändernder Mehrheit anstatt Einstimmigkeit eingeführt werden, soweit man auf die komplett virtuelle Gesellschafterversammlung als mögliche Gestaltungsalternative verzichtet.

Bei der Ausgestaltung der gesellschaftsvertraglichen Regelungen, die eine virtuelle oder teilvirtuelle Versammlung in der GmbH ermöglichen, ist dem Satzungsgeber weitgehende Freiheit eingeräumt. Jede beliebige Form steht zunächst offen. Zu denken ist an telefonische bzw. audiovisuelle Formen oder der Austausch von Textnachrichten sowie Mischformen von Präsenzversammlung mit virtuellen Formaten. Oft bietet es sich auch an, Telefon- oder Videokonferenzen mit Austausch von Textnachrichten zu kombinieren, um den Abstimmungsprozess besser dokumentieren zu können. Dabei empfiehlt es sich, Auswahl und Einsatz der technischen Möglichkeiten im Gesellschaftsvertrag nicht zu sehr zu konkretisieren, um die Formen nicht auf den Stand der technischen Möglichkeiten bei Einführung der Regelung zu begrenzen. Maßstab der Regelung sollte sein, das Format für die Versammlung in das Ermessen des Einberufungsorgans zu stellen, was sicherzustellen hat, dass die Möglichkeit zur Information und Teilhabe an der Meinungsbildung und Beschlussfassung für alle Gesellschafter – ggf. unter Einschaltung von Hilfspersonen – gegeben ist.

Die Feststellung der gefassten Beschlüsse ist im GmbH-Gesetz nicht vorgeschrieben; deren Protokollierung nur in Ausnahmefällen Wirksamkeitsvoraussetzung. Dennoch sollte beides aus Gründen der Rechtssicherheit bei der Ausgestaltung der gesellschaftsvertraglichen Regelung vorgesehen werden. Weiterhin empfiehlt es sich, eine angemessene Frist für die Anfechtung der Gesellschafterbeschlüsse einzuführen, nach deren Ablauf etwaige Beschlussmängel als geheilt gelten. Entsprechend § 243 Abs. 3 Nr. 1 AktG, dessen analoge Anwendung auf die Gesellschafterversammlung der GmbH zweifelhaft ist, sollte schließlich daran gedacht werden, eine Anfechtung dann auszuschließen, wenn diese auf durch technische Mängel verursachte Verletzung von Rechten gestützt wird und weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit von Seiten der Gesellschaft im Spiel sind.

Der neue § 48 Abs. 1 S. 2 GmbHG ermöglicht dauerhaft, virtuelle oder teilvirtuelle Gesellschafterversammlungen durchzuführen. Der Gesetzgeber hat sich aber mit dem Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter auf eine Minimallösung beschränkt. Um Handlungsfähigkeit und Planungssicherheit zu gewährleisten, empfiehlt es sich, eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag der GmbH zu verankern.

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