hendrik thies gesellschaftsrecht webh.jpgJonas Laudahn WebH

Verschiebung von berufsbezogenen Seminaren – Teilnehmer haben Anspruch auf Entgeltrückzahlung

Die Anzahl der Absagen und Verschiebungen von Veranstaltungen im beruflichen und privaten Kontext hat sich seit Beginn der Covid-19-Pandemie massiv erhöht. Während der Gesetzgeber für Veranstaltungen im privaten Kontext eine spezielle Regelung geschaffen hat (sog. Gutscheinlösung), ist bei Veranstaltungen im beruflichen Kontext das allgemeine Vertragsrecht einschlägig. Häufig fragen sich Teilnehmer, ob sie Terminverschiebungen schlicht hinnehmen müssen, oder die Buchung „stornieren“ können. Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das OLG Celle zu befassen – und stärkte die Rechte der Seminarteilnehmer.

Sachverhalt

Dem Urteil des OLG Celle liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2019 meldete sich eine Mitarbeiterin der Klägerin für ein mehrtägiges, berufsbezogenes Präsenzseminar bei der Beklagten als Veranstalterin an. Das Seminar sollte in mehreren Terminblöcken durchgeführt werden. Aufgrund der Covid-19-Pandemie sagte die Veranstalterin Anfang März 2020 den ersten Unterrichtsblock ab und kündigte an, dass der abgesagte Termin sowie die restlichen Unterrichtsblöcke zu einem späteren Zeitpunkt als Webinar stattfinden sollten. Da die Mitarbeiterin der Klägerin zu den neu terminierten Zeiten verhindert war, „stornierte“ die Klägerin die gesamte Buchung. Die Veranstalterin verweigerte im Folgenden die Rückzahlung der im Voraus entrichteten Teilnahmegebühr.

Das LG Hannover wies die auf Rückzahlung des Entgelts gerichtete Klage mit der Begründung ab, dass die von der Veranstalterin zu erbringende Leistung nicht rechtlich unmöglich geworden sei und der Klägerin daher kein Rücktritts- oder Kündigungsrecht zugestanden habe – so sei die Seminarteilnahme trotz Verschiebung für die Klägerin nicht ohne Wert. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung beim OLG Celle ein.

Das Urteil des OLG Celle vom 18.11.2021, Az. 11 U 66/21

Die Berufung hatte Erfolg und führte zur Verurteilung der Veranstalterin auf Rückzahlung der Teilnahmegebühr. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass der Klägerin ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag zustehe, da die termingerechte Leistung für die Klägerin wesentlich gewesen und dies für die Veranstalterin auch erkennbar gewesen sei. Wenn ein im Erwerbsleben Stehender ein berufsbezogenes und -begleitendes Seminar buche, für das bestimmte Termine angegeben seien, müsse der Veranstalter auch ohne ausdrücklichen Hinweis davon ausgehen, dass die Einhaltung der angegebenen Termine für die Teilnehmer entscheidend und sie weder in der Lage noch bereit seien, an dem Seminar an beliebigen anderen Terminen teilzunehmen. Insbesondere könnten Berufstätige über ihre Arbeitszeit in der Regel nicht beliebig verfügen. Angesichts dessen sei davon auszugehen, dass sich Teilnehmer eines berufsbezogenen Seminars in ihrer übrigen beruflichen und privaten Zeitplanung auf die im Vorfeld verbindlich angegebenen Termine einrichteten.

Da im vorliegenden Fall unstreitig war, dass die Mitarbeiterin der Klägerin an den Ausweichterminen verhindert war, ließ das Gericht offen, ob der Teilnehmer grundsätzlich beweisen muss, dass er Ersatztermine nicht wahrnehmen kann.

Praxishinweise

Im beruflichen Kontext gebuchte Dienstleistungen (z.B. Workshops o.ä.) werden seit Jahren immer beliebter, da der Bedarf an Fortbildungen in Zeiten sich immer weiter verstärkender Digitalisierung rapide zunimmt. Meist haben Arbeitnehmer indes nicht beliebig Zeit, eine solche Fortbildung zu buchen, sondern müssen gemeinsam mit dem Arbeitgeber die eigene Abwesenheit langfristig planen – schließlich muss der Arbeitsausfall kompensiert werden. Mit dem Urteil des OLG Celle liegt jetzt eine erste obergerichtliche Entscheidung vor, die sich mit der Bedeutung termingerechter Leistung bei solchen Fortbildungen befasst. Die Aussage des Gerichts ist insofern für die Teilnehmer erfreulich: Wer sich bewusst für einen von mehreren angebotenen Terminen entscheidet, muss keine Verschiebung hinnehmen, wenn er an den Alternativterminen verhindert ist. Dies gilt selbst dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Grund der Verschiebung außerhalb des Einflussbereichs des Veranstalters liegt.

Die Relevanz des Urteils geht insofern über Terminverschiebungen im Kontext der COVID-19 Pandemie hinaus. So lassen sich in der Praxis Fälle beobachten, in denen Seminaranbieter bewusst zunächst eine Vielzahl Termine anbieten, um so möglichst viele Teilnehmer zu gewinnen. Nachdem die Buchungen erfolgt sind, werden dann unliebsame, da wenig frequentierte Termine abgesagt und die Teilnehmer auf gut frequentierte Termine verschoben. Auf diese Weise können die Anbieter das Kosten/Einnahmenverhältnis massiv zu ihren Gunsten verbessern. Wer von solchen Verschiebungen betroffen ist, sollte fortan prüfen, ob ihm gegebenenfalls ein Recht zusteht, von dem jeweiligen Vertrag mit dem Veranstalter zurückzutreten.

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